: Wie in den Fels gemeißelt
Die Stunde der Gladiatoren: Die Bildsprache der Demokraten hat kaum noch eine Chance, mit George W. Bushs Präsidentendarstellung zwischen Anmaßung und Pennälerhumor zu konkurrieren
von TOBIAS RAPP
Es war ein Auftritt, der in die Annalen des Infotainments eingehen wird, als George W. Bush auf dem Deck des Flugzeugträgers „USS Abraham Lincoln“ aus dem Cockpit eines Kampfflugzeugs stieg, um das Ende der Kampfhandlungen im Irak zu verkünden. Auch drei Wochen später hat sich die amerikanische Öffentlichkeit noch nicht wieder beruhigt – allerdings hat sich die Aufregung verlagert. Keine Rede mehr davon, dass die spektakuläre Landung dem Actionfilm „Top Gun“ abgeschaut war, auch der Umstand, dass ein Hubschrauberflug völlig ausreichend gewesen wäre, ist in den Hintergrund getreten. Mittlerweile geht es um den Schwanz des Präsidenten. Genauer: die unübersehbar mächtige Ausbeulung von George W. Bushs Fliegerhose.
Die Comedy-Sendung „Saturday Night Live“ fragte, ob Bushs Berater dem Präsidenten wohl Socken in den Schritt gestopft haben könnten, und der Politkolumnist David Broder freute sich über die „körperliche Haltung“ Bushs und sagte, dieser Präsident habe gelernt, sich in einer Art zu bewegen, die „Autorität und Befehlsgewalt“ ausstrahle. Die liberale Village Voice widmete „Bush’s Basket“ und seinen „sexual politics“ in der vergangenen Woche gar eine ganze Seite. Fazit: Es gelte der Tatsache ins Auge zu blicken, dass sich in Zeiten der Unsicherheit viele Amerikaner mit der dicken Hose des Präsidenten identifizieren könnten.
Ob gestopft oder gut geschnürt: Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass George W. Bush der Welt demonstrierte, dass er die balls hat, die Amerikaner in diesen schwierigen Zeiten zu führen. Tatsächlich beschäftigt Bush ein ganzes Team, das zu nichts anderem da ist, als ihn in das richtige Licht zu rücken. Sein Auftritt auf der „Abraham Lincoln“ war nur ein vorläufiger Höhepunkt einer ganzen Reihe von sorgfältig vorbereiteten Inszenierungen. Da gab es seine Rede zum 11. September vergangenen Jahres, mit der Freiheitsstatue im Hintergrund, die nicht zufällig strahlte, als würden die Worte des Präsidenten sie erleuchten – Bushs Team hatte eigens mehrere riesige Scheinwerferbatterien am Fuß der Statue aufgestellt. Und es gab seine Rede am Mount Rushmore, für die Bush von seinen Medienberatern so platziert wurde, dass sein Profil sich harmonisch als fünftes Präsidentenhaupt neben die in Fels gemeißelten Köpfe von Washington, Jefferson, Lincoln und Rockefeller einfügte.
„Bruckheimers White House“ hat die New York Times diese Kunst der Inszenierung mit Bezug auf den „Top Gun“-Produzenten Jerry Bruckheimer halb abfällig, halb bewundernd genannt. Tatsächlich ist sie nicht nur handwerklich perfekt, sie ist auch deswegen so wirksam, weil Bush ein begnadeter Präsidentendarsteller ist. Anders als Clinton, dessen mediale Glaubwürdigkeit vor allem auf seiner Lust an der Politik beruhte, sieht man Bush in jedem Augenblick an, dass er einen jungenhaften Spaß daran hat, Präsident zu sein. Selbst eine so groteske Anmaßung wie die Inszenierung der Rede am Mount Rushmore hat immer noch einen Funken von Pennälerhumor, spielt mit der Freude an der Übertreibung, genau wie die Bruckheimerfilme auch.
Während Bush von einer symbolischen Feier seiner Macht zu der nächsten eilt, verblassen die letzten Überbleibsel des Bill-Clinton-Zeichensystems. „West Wing“, die Fernsehserie rund um den liberal-demokratischen Präsidenten Josiah Bartlet, gespielt von Martin Sheen, hat – nicht zuletzt wegen Sheens Engagement gegen den Irakkrieg – in den letzten Monaten einen so enormen Quoteneinbruch hinnehmen müssen, dass sie wahrscheinlich keine weitere Staffel erleben wird. Und Monica Lewinsky – jene unglückliche Expraktikantin, die das letzte Mal den Phallus eines Präsidenten zum Tagesgespräch gemacht hatte, damals allerdings zum Schaden des Weißen Hauses – ist so weit heruntergekommen, dass sie mit „Mr. Personality“ nun eine Fernsehshow moderiert, in der Männer in Gummimasken um die Gunst einer Frau im Praktikantinnenalter wetteifern.
Noch sind es anderthalb Jahre bis zur nächsten Präsidentschaftswahl. Doch die Zeichen, dass die Demokraten eine Bildsprache finden könnten, die mit „Bruckheimers White House“ konkurrieren kann, stehen schlecht. „Es wird kein Demokrat zum Präsidenten gewählt werden, der nicht stark in der Verteidigung ist“, sagte David Lieberman, einer der potenziellen demokratischen Präsidentschaftsbewerber, als er und seine acht Konkurrenten sich vor einigen Tagen mit einer Fernsehdebatte der Öffentlichkeit vorzustellen versuchten. Clintons ehemaligem Berater George Stepanopoulos moderierte die Diskussion – doch obwohl sie von ABC präsentiert wurde, entschieden die Verantwortlichen des Senders, lediglich Ausschnitte auszustrahlen. Während die Präsidentschaftsbewerber debattierten, zeigte ABC stattdessen den Actionfilm „Gladiator“.