: Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Heute will Siemens die Belegschaft über angedachte Arbeitsplatzverlagerungen in Billiglohnländer informieren. Angst an den Standorten Bocholt und Kamp-Lintfort. Angeblich sind tausende Jobs in Nordrhein-Westfalen in Gefahr
RUHR taz/dpa ■ Die Siemens-Arbeiter an den NRW-Standorten Bocholt und Kamp-Lintfort bekommen womöglich ein Angebot, das sie nicht ablehnen können. Heute will der Münchner Konzern offenbar die mögliche Verlagerung von tausenden Arbeitsplätzen in Billiglohnländer androhen, falls die Beschäftigten nicht mit Lohneinbußen und Mehrarbeit einverstanden sind. „Wir rechnen mit dem Schlimmsten“, ist von Arbeitnehmervertretern zu hören. Bundesweit seien wahrscheinlich deutlich mehr als 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr, in NRW könnten 2.000 Jobs in der Mobiltelefon-Produktion abgebaut werden.
Die IG Metall hat Widerstand gegen die Siemens-Sparpläne angekündigt. „Wir akzeptieren weder eine Verlagerung von Jobs ins Ausland noch die 40-Stunden-Woche“, sagte eine Sprecherin des IG-Metall-Vorstands. Auf einer für gestern abend angesetzten Sitzung des so genannten Wirtschaftsausschusses des Konzerns wollte die Konzernleitung konkrete Sparvorschläge vorlegen. Entscheidungen sollten aber noch nicht fallen, sagte ein Siemens-Sprecher (Bei Redaktionsschluss war die Sitzung nicht beendet).
Das Gespräch der Unternehmensleitung mit Belegschaftsvertretern sei ein Beratungstermin, konkrete Ergebnisse seien erst in einigen Wochen zu erwarten, sagte der Sprecher weiter. Es sollten aber mögliche Lösungen für einzelne Standorte vorgestellt werden. Nähere Angaben wollte der Sprecher nicht machen. Keine Rolle mehr werde die Verlagerung von 220 Arbeitsplätzen der Siemens-Service-Reparaturwerkstatt Bocholt nach Ungarn spielen, nachdem für den deutschen Standort durch einen Ergänzungstarifvertrag eine Lösung gefunden worden sei (taz berichtete).
Trotz eines Dementis von Siemens-Chef Heinrich von Pierer fürchtet die IG Metall die Verlagerung von tausenden Arbeitsplätzen nach Osteuropa. Als Alternativen sind nach Zeitungsberichten unter anderem die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf mindestens 40 Stunden ohne Lohnausgleich sowie die Streichung von Zuschlägen geplant. Zudem stünden das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld zur Disposition, berichtete das Blatt. Auch IG-Metall-Vizechef Berthold Huber hat sich inzwischen in die Verhandlungen mit der Siemens-Chefetage eingeschaltet.
Der für Siemens zuständige IG-Metaller Wolfgang Müller sagte der Berliner Zeitung: „Fest steht, dass wir die Forderungen der Konzernspitze nicht akzeptieren können.“ Man könne den Mitarbeitern nicht einen Teil ihres Geldes wegnehmen, und in ein paar Jahren stehen ihre Jobs wieder zur Disposition. Die Belegschaftsvertreter von Siemens kündigten an, sich nach dem Gespräch im Wirtschaftsausschuss zunächst in ihren Gremien beraten zu wollen.
Vor Ort will die IG Metall mit Protestaktionen gegen den Siemens-Kurs mobilisieren. „Wir werden sowohl in Kamp-Lintfort als auch in Bocholt vor den Werkstoren unsere Positionen deutlich machen“, kündigte ein IG Metall-Funktionsträger gestern an. MARTIN TEIGELER