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Archiv-Artikel

Durch zwei Fahrräder überführt

Mutmaßlicher Kinder-Vergewaltiger festgenommen. Experten warnen vor Schädigung der Opfer durch Medien

Nachdem am Samstag ein fünfjähriges Mädchen auf einem Spielplatz in Lurup vergewaltigt wurde, hat die Polizei am Dienstagabend in Eidelstedt den mutmaßlichen Täter verhaftet. Dem 38-Jährigen wird auch sexualisierte Gewalt an einer Neunjährigen am 18. März in Stellingen angelastet. Der Tatverdächtige verweigert laut Polizeibericht die Aussage. Die Kripo stellte im Keller seines Wohnhauses zwei Fahrräder sicher – ein rotes mit silbernem Schloss sowie ein schwarzes mit grünem Spiralschloss –, wie sie auch der Täter gefahren haben soll.

Unterdessen warnen Experten davor, durch Medienberichte den Opfern zu schaden. „Es dürfen hier nicht Opfer zu Tätern werden“, erklärt der Altonaer Bezirksamtssprecher Rainer Doleschall, der Berichte dementierte, denen zufolge sich das fünfjährige Mädchen in der Obhut des Jugendamtes befände: „Das Kind ist nicht bei der Mutter, es ist woanders, aber das hat mit dem Jugendamt nichts zu tun.“

„Wichtig ist für das Kind, wie die Mutter und das eigene Umfeld reagieren“, erklärt auch Monika Borek von der Beratungsstelle „Allerleirauh“ in Wandsbek. Durch Begriffe wie „Schande“ oder „geschändet“ würden kindliche Opfer als „schmutzig“ stigmatisiert. Die Folge sei eine Verlängerung des Leidens.

Allerleihrau ist auf die Beratung von Müttern spezialisiert, deren Kinder Opfer von sexualisierter Gewalt wurden. Borek weist darauf hin, dass über 90 Prozent aller derartigen Übergriffe auf Kinder im „sozialen Nahraum“ passieren, „durch Onkel, Opas, Cousins oder Nachbarn“. Fremde als Täter seien die Ausnahme, gleichwohl ginge dies allen Eltern besonders an die Nieren und stelle „den Alptraum schlechthin dar“.

Vielen stellt sich nun die Frage, ob und ab wann sie Kinder alleine auf die Straße lassen dürfen. Borek: „Bei kleinen Kindern muss eine Person da sein, die sich zuständig fühlt.“ Dies müssten nicht immer die Mütter ein, sondern könne auch durch nachbarschaftlich funktionierende soziale Netze geschehen.

Kinder im Schulalter ab sechs Jahren sollten schrittweise in die Selbständigkeit begleitet werden. Hier sei es sinnvoll, mit Kindern die Regel zu vereinbaren, dass sie nicht mit anderen Menschen mitgehen, ohne den Eltern Bescheid zu sagen. Auch sollte man Kinder darin bestärken, dass sie nicht brav sein müssen, wenn Erwachsene etwas machen, was seltsam ist.

Andererseits dürfe man auch nicht den Kindern die Verantwortung für ihren Schutz vor Gefahren überlassen. Borek: „Erwachsene verfügen über überlegene Strategien und können sehr hartnäckig sein“. Eine 100-prozentige Sicherheit gebe es deshalb nicht, „da müssten wir die Kinder zu Hause einsperren“. KAIJA KUTTER