: Protest gegen australische Internet-Zensurpläne
Regierung will nicht nur Kinderpornografie im Web blockieren, sondern auch legale Seiten zu heiklen Themen
CANBERRA taz ■ „Australien droht die schärfste Form von Internetzensur in der demokratischen Welt.“ So warnte der australische Kommentator und Autor David Marr jüngst vor einem geplanten Gesetz, dessen Auswirkungen auf die Freiheit der Bürger er mit der Situation in autoritären Staaten wie China vergleicht. Die australische Bürgerrechtsgruppe Get Up ruft gar zum Kampf auf „gegen Zensur der übelsten Sorte“. Innerhalb weniger Tage unterschrieben zehntausende Bürger eine Petition gegen das Vorhaben.
Grundsätzlich ist die Idee von Kommunikationsminister Stephen Conroy durchaus lobenswert. Noch vor Weihnachten will er einen Gesetzentwurf vorlegen, der Internetprovider verpflichten will, über technische Filter den Zugang zu Webseiten mit Kinderpornografie zu blockieren. Außer den kriminellen Nutzern solcher abscheulicher Fotos und Videos ist wohl kaum jemand gegen einen solchen Eingriff. Was die Regierung laut Kritikern aber verschweigt: Die Zensur soll sich auch auf legale Pornografie erstrecken und sogar auf politisch und religiös sensible Themen wie Sterbehilfe und Selbstmord.
Internetprovider fürchten jetzt um ihre Zukunft. Sie behaupten, die Filter werden den Internetverkehr blockieren. Tests zeigten, dass die im Vergleich mit Westeuropa ohnehin geringe Internet-Geschwindigkeit in Australien durch den Einsatz von Filtern um 87 Prozent verlangsamt werden könnte. Die Provider glauben, die Zensur könnte Australiens Wirtschaft schädigen, weil die Internetkommunikation dann nicht mehr wie gewohnt funktionieren werde. Ohnehin gäbe es keine Filterprogramme, die genau das aussortieren, was ein Gesetzgeber möchte. Dafür ließen sie Inhalte durch, die laut Regierung verboten sein müssten. Minister Conroy dagegen führt an, dass Großbritannien, Schweden und eine Reihe anderer Länder solche Filter hätten. Dort ist es aber den Nutzern selbst überlassen, ob sie ihre Zugänge zensieren lassen.
Dass die Initiative für das Gesetz direkt von Premier Kevin Rudd kommt, bestreitet die Regierung nicht. Der Sozialdemokrat Rudd ist ein tief gläubiger Christ mit sehr konservativen Wertvorstellungen. Vor ein paar Monaten schockierte er liberal denkende Australier, als er Werke des weltbekannten australischen Fotografen Bill Henson als „abscheulich“ bezeichnete. Zuvor war Hensons Vernissage von der Polizei gestürmt und geschlossen worden. Henson hatte in einer Serie von Bildern Kinder nackt dargestellt – aber keineswegs in erotischer Pose, wie ein Gericht später bestätigte.
Mit der geplanten Internet-Zensur dürfte die Regierung auch den Vertreter der ultrakonservativen Familienpartei im Oberhaus zufrieden stellen wollen. Dort hält Steve Fielding zusammen mit Abgeordneten anderer Kleinparteien die Machtbalance und kann somit Gesetzentwürfe blockieren. Fielding ist strikt gegen jede Form von Pornografie und teilt eine Abneigung gegen Abtreibung und Sterbehilfe mit dutzenden Vertretern der konservativen Opposition in beiden Kammern des Parlaments. URS WÄLTERLIN