: Das rechte Potenzial
Erneut zieht der rechtsextreme DVU-Mann Siegfried Tittmann in die Bürgerschaft ein. Die Schill-Partei scheiterte nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Vor allem in Bremerhaven wählten viele rechts
taz/dpa/afp ■ „Ganz schön konservativ“ habe Bremen gewählt, urteilte ein aus Bayern zugereister Grüner auf der Wahlparty am Sonntagabend im „Modernes“. Damit meinte er nicht nur das vor allem in Bremerhaven starke Abschneiden der Parteien am rechten Rand (Schill und DVU), sondern auch die große Zustimmung zur Politik der großen Koalition, die in den letzten acht Jahren an Jugend und Sozialem sparte und das Geld stattdessen in Großprojekte steckte.
Doch eine konservative Sozialpolitik war vielen WählerInnen noch nicht genug. 3.266 Stimmen wurden nach dem vorläufigen amtlichen Wahlergebnis in Bremerhaven für die vom Verfassungsschutz beobachtete Deutsche Volksunion (DVU) abgegeben – damit wollten 7,1 Prozent (1999: 6,0) den rechtsextremen Abgeordneten Siegfried Tittmann wieder in der Bürgerschaft sehen, auch wenn der Bremerhavener die parlamentarische Kärrnerarbeit weitestgehend mied. Allein dessen markiger Wahlspruch „Ein Mann, ein Wort, ein Tittmann“ war für viele wohl Inhalt genug. Landesweit sank das DVU-Ergebnis allerdings: von drei auf 2,3 Prozent.
Auch die Schill-Partei blieb außen vor, obwohl sie aus dem Stand in Bremen-Stadt auf 4,2 Prozent kam und in Bremerhaven mit 4,8 Prozent den Einzug mit einem Abgeordneten in die Bürgerschaft nur knapp verfehlte. Laut Landeswahlleiter Jürgen Dinse fehlten den Schillianern nur 91 Stimmen.
Eine Erklärung für das starke Abschneiden der Rechten in Bremerhaven bietet der Bremer Politologe Lothar Probst an. Er macht eine „depressive Stimmung“ in Bremerhaven aus, gefördert durch Arbeitslosigkeit und fehlende wirtschaftliche Perspektiven. „Viele Menschen haben das Gefühl, dass Bremerhaven wie zweite Wahl behandelt wird“, sagte Probst. In der Stadt gebe es nicht nur eine höhere Arbeitslosenquote und weniger Investitionen als in Bremen, sondern seit Jahren auch mehr Leute, die nicht mehr durch die großen Parteien integriert würden. „Die DVU ist in bestimmten Stadtvierteln Bremerhavens inzwischen eine durchaus akzeptierte Partei“, meint Probst. Sie decke die „typischen Protestthemen“ ab und spreche damit vor allem junge, männliche Wähler mit geringen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt an. „Diese Wähler sind offensichtlich auch gar nicht an konstruktiver politischer Arbeit interessiert.“
Erstaunlicher sei schon, dass auch der Schill-Partei mit 4,8 Prozent der Wählerstimmen beinahe der Sprung ins Landesparlament gelungen sei. Die Minderwertigkeitsgefühle mancher Bremerhavener gegenüber Bremen wurden laut Probst womöglich auch dadurch genährt, dass die Hafenstadt zuletzt mit keinem Senator mehr in der Landesregierung vertreten gewesen sei. Viele Bürger hätten den Eindruck, das Geld für die Sanierung der vom Zusammenbruch der Werftindustrie gezeichneten 120.000-Einwohner-Stadt komme „nicht so richtig an“.
„Große Investitionen reichen offenbar nicht aus, damit die Menschen merken, dass es hier langsam besser wird“, zieht der SPD-Unterbezirksvorsitzende Siegfried Breuer selbstkritisch Bilanz. Und Christdemokrat Michael Teiser, mit Breuer in der großen Koalition verbunden, fordert energische Schritte zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation: „Mit sozialen Angeboten wird man bei der Klientel der Protestwähler nichts. Diese Leute interessieren sich nicht für Programme.“ Nach Ansicht von SPD-Chef Breuer charakterisiert im Übrigen eine weitere Besonderheit des Landes Bremen das Wahlergebnis in Bremerhaven – das seit der Stadtgründung vor 176 Jahren angespannte Verhältnis zwischen den beiden Kommunen des Zwei-Städte-Staates. „Der Bremer Scherf zieht hier einfach nicht so“, meint Breuer.
eib