Wirtschaft stärkt Klimapolitik

Unternehmen und Forscher fordern die EU auf, eine Führungsrolle im Klimaschutz zu übernehmen. Die enge Zusammenarbeit mit Nordafrika und China besitze ein „enormes wirtschaftliches Potenzial“

BERLIN taz ■ Das Europäische Klimaforum (ECF) fordert neue Initiativen der EU, um die klimapolitische Vorreiterrolle auszubauen. Das ECF setzt dabei vor allem auf „bilaterale Initiativen“. Die könnten sofort angegangen werden, unabhängig davon, wie lange es noch dauert, bis Russland das Kioto-Protokoll ratifiziert – und damit zur allgemeinen Gültigkeit verhilft.

Da wäre eine „Energiepartnerschaft“ zwischen EU und Nordafrika – zunächst auf Basis von Erdgas, später auf Basis von Sonnenenergie. Zweitens regt das ECF an, eine Klima-Partnerschaft mit China zu suchen. Drittens drängt das ECF auf Partnerschaften europäischer Städte mit den neuen Megastädten in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Das Klimaforum ist eine Initiative zur Erforschung des Klimawandels, an der sich Firmen wie Münchener Rück, Deutsche Telekom, ABB und Alstom, sieben führende Klimaforschungseinrichtungen sowie der WWF und Greenpeace beteiligen. Anders als die Teile der deutschen Wirtschaft, die zuletzt beim Emissionshandel vor einem klimapolitischen Vorpreschen Deutschlands warnten, sieht das ECF „ein enormes wirtschaftliches Potenzial“ – auch für kleine Firmen. „Ein funktionierender europäischer Emissionshandel, verknüpft mit weiteren klimapolitischen Initiativen, wird Innovationen im Bereich erneuerbarer Energien, effizientere Energienutzung und neuer Verkehrssysteme ermöglichen“, prophezeit Carlo Jäger, Präsident der ECF und Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

So liegt eine engere Zusammenarbeit mit Nordafrika auch aus energiepolitischen Gründen nahe. Dort gibt es viele Erdgasvorkommen, und Europa braucht Erdgas, um billiger und klimafreundlicher produzieren zu können, macht sich aber derzeit abhängig von Russland. „Das ist nicht klug“, urteilt Jäger. Im zweiten Schritt könnte die EU anfangen, Strom aus erneuerbaren Energien in Nordafrika produzieren zu lassen. Zurzeit scheinen die solarthermische Gewinnung und der Transport mit Unterseestromkabeln am sinnvollsten. „In vielen Bereich lässt sich regenerative Energie dort viel billiger produzieren als hierzulande“, sagt der Klimaforscher.

Bei der Kooperation mit China kommt es vor allem auf den Umgang mit der Kohle an. Das Land besitzt sehr viel Kohle – und es ist klar, dass es die verfeuern wird. Die Frage ist nur, wie effektiv die Kraftwerke sind, in denen China das tut. Effizientere Kraftwerkstechnik aber wird durch den Emissionshandel in der EU gefördert – der Export dieser Technik drängt sich auf.

Bei den Städtepartnerschaften denkt Jäger vor allem an die Einführung neuer Kommunikationstechniken. „Man kann selbst in Deutschland verblüffend viele Geschäftsreisen sparen, indem man mehr Videokonferenzen macht“, urteilt er. Auch mit Telearbeit lasse sich erheblich viel Fahrerei einsparen. Für Megastädte wie Schanghai würde das einen großen Unterschied machen – und auch für Berlin wäre das nicht schlecht. „Eine Städtepartnerschaft zwischen Berlin, Schanghai – vielleicht mit Firmen wie Telekom oder Sony –, um das auszutesten, wäre eine reizvolle Angelegenheit“, so Jäger. MATTHIAS URBACH