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Archiv-Artikel

Die Wiedervereinigung der Netze

Um mehr Wettbewerb zu schaffen, wurde vor fünf Jahren das Kabelnetz liberalisiert. Vergeblich – demnächst gibt es wieder einen neuen Monopolisten

VON STEFFEN GRIMBERG

Das deutsche Kabelfernsehen wird wiedervereinigt. Schon morgen – oder nach anderer Lesart spätestens Anfang kommender Woche – wird der entscheidende Teil des Netzes wieder in einer Hand sein. Dann hat die Kabel Deutschland GmbH auch die letzten drei noch unabhängigen Gesellschaften geschluckt. Und Deutschland wäre wieder da, wo alles begann: beim Kabelmonopol. Einziger Unterschied: Nicht ein Staatskonzern, sondern ein Privatunternehmen beherrscht dann den Markt.

Denn das Monopol lag bis 1999 bei der Deutschen Telekom. Auf Druck von Brüssel sollte sich der halbstaatliche Konzern von seiner Vormachtstellung trennen – schließlich empfangen mehr als die Hälfte der Haushalte ihr freizeitbestimmendes Bild- und Tonsignal per Kabel. Die neuen Eigentümer, so lautete damals die Hoffnung, würden durch den Kaufpreis nicht nur den Schuldenberg der Telekom abbauen helfen, sondern endlich in die lange vernachlässigte Modernisierung der Kabelnetze investieren. Die Kosten würden wieder hereinkommen, weil sie nach erfolgter technischer Aufrüstung dann neben dem TV-Durchleitungsgeschäft auch lukrative Telefonie- und Hochgeschwindigkeits-Internetdienste an die Kundschaft bringen können.

Zunächst schien diese Rechnung aufzugehen: 2001 war der Verkauf der 16 Regionalgesellschaften abgeschlossen, waren an die 18 Milliarden Euro in die Kassen der Telekom geflossen. Doch mit den Investitionen ins Netz ging es nur schleppend voran. Die Investoren aus Großbritannien und den USA lernten, dass das deutsche TV-Kabel ein merkwürdiges Konstrukt ist. Es unterscheidet zwischen verschiedenen Netzebenen (siehe Kasten). Nur auf der entscheidenden Netzebene 4 besteht der direkte Zugang zu den Kunden – hier geht es um die letzten Meter bis zur TV-Dose in der Wohnung. Doch dieser Markt ist stark zersplittert, viele kleine Unternehmen betreiben eigene „Ebene-4-Netze“. Auch der zukünftige Monopolist Kabel Deutschland hat nur zu rund 3,5 Millionen seiner bislang rund 10 Millionen Kabelkunden direkten Zugang.

Zudem regulieren im föderalen System 15 Landesmedienanstalten den Kabelmarkt: Sie – und nicht wie in den USA die Netzbetreiber – legen fest, welche Sender wo zu sehen sind. Versuche, aus diesem Konzept auszubrechen, endeten bisher stets mit einer juristischen Niederlage des Kabelbetreibers.

Das wurde den Betreibern bald klar: Kabelfernsehen in Deutschland war nicht das erhoffte Geschäft. Weil man Netze zu teuer gekauft hatte, fehlte das Geld für deren Modernisierung. Die Konsequenz: Die neuen Herren gaben bald wieder auf. Schon jetzt kontrolliert die Kabel Deutschland GmbH, hinter der die Investoren Apax, Goldman Sachs und Providence Equity stehen, alle regionalen Netze mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen (ish), Hessen (iesy) und Baden-Württemberg (KabelBW). Doch auch diese stehen schon zum Verkauf. Einziger ernst zu nehmender Interessent: Kabel Deutschland.

Die Preise sind im Keller. 1,4 Milliarden Euro soll Kabel Deutschland für die Übernahme des relativ weit aufgerüsteten Kabelnetzes von ish im bevölkerungsreichsten Bundesland bieten – der Telekom hatte der ursprüngliche Investor Callahan einst für die nackte Netzübernahme noch 1,8 Milliarden Euro gezahlt.

Jede einzelne dieser Übernahmen müsste beim Kartellamt angemeldet werden, nach Brancheninformationen lotet Kabel Deutschland in inoffiziellen Gesprächen mit der Bonner Behörde mögliche Spielräume aus. Vor drei Jahren waren schließlich die Kabelpläne des US-Medienkonzerns Liberty Media an den zu erwartenden Kartellauflagen gescheitert, noch bevor der Deal in trockenen Tüchern war.

Doch jetzt ist die Situation anders. Liberty-Chef John Malone wollte damals beinahe das gesamte Kabelnetz en bloc von der Telekom übernehmen. Zudem organisierten die deutschen Medienunternehmen politischen Druck gegen den mächtigen US-Unternehmer. Vor allem aber gab es weitere Interessenten, die sich auf die von der Politik gewollte Regionalisierung der Kabelnetze einließen.

Heute sind keine ernst zu nehmenden Alternativen zu erkennen. Weitere Bieter um ish, iesy & Co sind nicht in Sicht. Und auch die Politik scheint froh, wenn endlich wieder Klarheit im Kabel herrscht und der für das kommende digitale Zeitalter unbedingt nötige Netzausbau endlich vorankommt. Bezahlen wird das wie immer – der Zuschauer.