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Archiv-Artikel

Mehrheiten mafios gesichert

NRW-SPD skandalgebeutelt: Essener Fraktionschef nutzte Ämter zur Bereicherung

BOCHUM taz ■ Die nordrhein-westfälische SPD hat im Ruhrgebiet einen neuen Bestechungsskandal am Hals. Der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Essener SPD-Ratsfraktion, Willi Nowack, hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft Essen mehrere hunderttausend Euro an „Beraterhonoraren“ von Baufirmen kassiert, ohne dafür erkennbare Gegenleistungen erbracht zu haben.

Darüber hinaus hat Nowack als Aufsichtsratsvorsitzender der Essener Entsorgungsbetriebe (EBE) von Aufträgen des Müllentsorgers Trienekens an seine Exfrau Iris Nowack profitiert. Die EBE sollten im Zuge einer Teilprivatisierung an Trienekens verkauft werden. Der Staatsanwalt ermittelt gegen Nowack wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Untreue und Insolvenzverschleppung. Nachdem Nowack kürzlich den Essener Fraktionsvorsitz niederlegen musste, gab er am Wochenende auch sein Ratsmandat ab. Sein Landtagsmandat will er gegen den Willen der Landesspitze aber behalten – er behauptet, er sei das Opfer einer politischen Intrige.

Die SPD liegt in NRW nach jüngsten Umfragen bei rund 30 Prozent. Vor allem im traditionell sozialdemokratischen Ruhrgebiet wenden sich viele Stammwähler ab: Nicht zuletzt aus Enttäuschung über verfilzte Strukturen. Im ersten Quartal des Jahres verließen mehr als 4.500 NRW-Genossen die Partei – die meisten davon im Ruhrgebiet.

Nach Informationen der taz nutzte der Multifunktionär Nowack seine Positionen, um Geschäftspartnern unter die Arme zu greifen. So war Nowack als Fraktionschef entscheidend am Verkauf von Grundstücken beteiligt, bei deren Bebauung er anschließend „Beraterhonorare“ in Höhe von über 500.000 Euro einstrich. Als Mitglied des Kreditausschusses der Sparkasse kümmerte sich Nowack um die Vergabe von Millionenkrediten an einen Partner. Später kassierte er bei anderen Projekten desselben Partners „Beraterhonorare“ über hunderttausende Euro.

Mit zweifelhaften Methoden sorgte der Essener SPD-Fraktionschef für seinen Machterhalt. So hat er sich nach taz-Informationen die Mehrheit im umkämpften Essener Ortsverein Dellwig gesichert, indem er über einen befreundeten Küchenunternehmer rund 120 Polen herankarren ließ. Die traten kurzfristig gegen Bargeld in die Essener SPD ein und stimmten für Nowack-Kandidaten. Gemeldet wurden die 120 Mann in vier Wohnungen eines Nowack-Freundes. Ein ehemaliger Weggefährte würdigte die logistische Leistung: „Der Nowack versteht das mit dem Köpfchenzählen.“ Für andere Abstimmungen traten ganze Fußballmannschaften, die Nowack sponserte, oder EBE-Müllmänner, deren Aufsichtsratschef Nowack ist, kurzfristig in die SPD ein, um Mehrheiten zu sichern.

Andere Ungereimtheiten wurden nie geklärt. Einem ehemaligen Spitzenbeamten der Stadt Essen, der gegen Nowack aufgetreten war, wurden die Autofenster zerschossen – am Telefon erhielt er Morddrohungen: „Hör auf, oder du schwimmst im Rhein-Herne-Kanal.“ Der Beamte zog sich nach einem Herzinfarkt aus der Politik zurück. Ermittlungen des Staatsschutzes verliefen im Sand. DAVID SCHRAVEN