: Pressekonzentration? Nein danke!
Die taz ist unabhängig, und das muss sein. Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch erklärt, warum
Die Älteren unter den taz-Lesenden werden sich gut an das Zeitungssterben in den 60er- und 70er-Jahren erinnern. Innerhalb von zwanzig Jahren war fast die Hälfte der Zeitungen in Deutschland vom Markt verschwunden. Das war der Hintergrund für eine Sonderregelung für Zeitungen und Zeitschriften im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) von 1976, durch die sich die Pressekonzentration in den Folgejahren verlangsamte. Als ein Zeichen gegen das jahrzehntelange Zeitungssterben ist auch die Gründung der taz 1979 zu sehen, die als einzige Neugründung einer Tageszeitung in diesen Jahrzehnten erfolgreich gegen die Pressekonzentration stand.
Diejenigen unter den Lesern, die erst ab 1989 die taz lesen konnten, werden sich an die Verhältnisse auf dem sich wendenden Zeitungsmarkt der zusammenbrechenden DDR erinnern. Viele Neugründungen und Alternativen aus dem Herbst 89 haben die neue Bundesrepublik nicht mehr erlebt, weil schon damals der politische Wille da war, regionale Monopolzeitungen der Staatspartei SED direkt in die Hände der westdeutschen Pressekonzerne zu überführen. Dass nun ausgerechnet die rot-grüne Regierung den Weg für eine weitere Konzentration auf dem Tageszeitungsmarkt ebnen will, wird die Rahmenbedingungen gerade für überregionale Tageszeitungen, die ohnehin von der Anzeigenkrise stark betroffen sind, weiter verschlechtern.
Die überregionalen Zeitungen sind für die politische Meinungsbildung in diesem Land von großer Bedeutung, und sie sind, mit Ausnahme der Springer-Blätter, bisher überwiegend konzernunabhängig. Das wird nicht so bleiben. Der Einstieg der Südwestdeutschen Medienholding bei der Süddeutschen Zeitung und die beabsichtigte Übernahme der Frankfurter Rundschau durch die SPD-Medienholding DDVG sind der Anfang eines Prozesses, in dem Verlage ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit verlieren werden.
Pressevielfalt ist nur vordergründig eine Frage der Unabhängigkeit von Journalisten, sondern vielmehr eine der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit von unabhängigen Verlagen und den dem Wettbewerb zugrunde liegenden Bedingungen. Für überregionale Tageszeitungen gehören zu diesen Rahmenbedingungen auch verfügbare und bezahlbare Vertriebsinfrastrukturen. Dabei sind überregionale Tageszeitungen auf die Kooperation mit Regionalverlagen angewiesen, denn weder in Ballungsgebieten noch im ländlichen Raum ist eine überregionale Zeitung in der Lage, für sich allein die Zustellung an Abonnenten wirtschaftlich und kundenfreundlich zu gestalten.
Ein schönes Beispiel dafür, wie Vielfalt nicht entstehen kann, wenn Rahmenbedingungen nicht stimmen, haben wir vor zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen erlebt. Da wollte die SZ für die Pressevielfalt an Rhein und Ruhr etwas Gutes tun mit eigenen regionalen Seiten für das Land. Die Idee war kaum auf dem Markt, da sah man sich damit konfrontiert, dass sich regionale Verlage absprachen und mit der Aufkündigung der Abonnementszustellung der SZ drohten und das später auch umsetzten. Heute erscheint in NRW wieder eine SZ ohne Regionalseiten, und der Bann gegen sie wurde aufgehoben, die SZ wird wieder von den Regionalzeitungen an Rhein und Ruhr zugestellt.
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der die Erleichterung von Pressefusionen auf Drängen der großen Zeitungskonzerne betreibt, lässt sich im Pressewesen wie im Energiesektor gern von solchen, ihm vertrauten NRW-Verhältnissen leiten und hat wohl eine Vorliebe für Konzerne und Kartelle. Scheitert die Liberalisierung des Strommarktes an so praktischen Fragen wie den Kosten für die Durchleitung des Stroms an die Kunden, bei der die großen Konzerne nach wie vor am entscheidenden Hebel sitzen, so wird bei den Zeitungen die Verfügbarkeit von Vertriebswegen und deren Kosten zu einer Wettbewerbsfrage werden, gerade bei schrumpfenden Anzeigenmärkten.
Die geplante Reform der Pressefusionskontrolle dient nicht den Not leidenden mittelständischen Verlagen, sondern allein den großen Zeitungskonzernen, die nach den Umstrukturierungen der letzten Jahre längst wieder hohe Gewinne schreiben. Opfer der Konzentration werden auch die überregionalen Tageszeitungen sein, die durch eigene Versäumnisse in den letzten Jahren an Handlungsfähigkeit verloren haben. Zu sehr hat man in den guten Jahren auf die alleinige Finanzierung durch Anzeigen vertraut.
Die taz hat in 25 Jahren gezeigt, dass es möglich ist, auch zu einem fest gefügten Markt Zutritt zu gewinnen. Die starke Orientierung auf LeserInnen als Abonnenten und Miteigentümer hat die taz Krisen überwinden lassen und gibt ihr auch in den gerade stattfindenden Umbrüchen eine gute Chance, ihre Unabhängigkeit zu behalten.
Die taz hat sich in ihrer bewegten Geschichte ihre durchaus guten Rahmenbedingungen Stück für Stück selbst geschaffen. Mit der taz Genossenschaft und der Entwicklungs KG verfügt der Verlag über zwei attraktive Unternehmensmodelle, die den nötigen finanziellen Spielraum für eine gesicherte Existenz und eine angemessene Weiterentwicklung des Produkts taz sicherstellen können. Oder anders ausgedrückt: Heute erscheint an Rhein und Ruhr nicht mehr die SZ mit einem Regionalteil, sondern die taz.
Die taz NRW wäre ohne die weitsichtige Unterstützung der fast 6.000 taz-GenossInnen und die Risikobereitschaft der mehr als 200 KommanditistInnen nicht möglich gewesen. Deshalb wird es auch in Zukunft wichtig sein, viele neue GenossInnen und KommanditistInnen zu gewinnen. Denn die 25-jährige taz-Geschichte hat gezeigt: Eine Mitgliedschaft oder eine Investition in die Entwicklungs KG ist immer auch ein aktiver Widerstand gegen die zunehmende Pressekonzentration.