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Die Stadtmusikanten

Von den Gebrüdern Grimm vergessen: wie die Stadtmusikanten nach Bremen kamen. Lesen Sie die Version eines unbekannten taz-Autoren – aber vor allem die der Gebrüder Tim und Denis Fischer

Was bisher geschah: Um der Schlachtbank beziehungsweise dem Suppentopf zu entgehen, hatten sich Esel, Hund, Katze und Hahn gemeinsam auf den Weg nach Bremen gemacht („etwas Besseres als den Tod finden wir überall!“). Unterwegs verjagten sie mit ihrer Musik eine Räuberbande und beendeten die Reise vorzeitig in deren Haus

War Jesus wirklich ein Weißer? Enthält Spinat wirklich extra viel Eisen? Tötete Lee Harvey Oswald J. F. K.? Ist die Geschichte der Menstruation eine Geschichte voller Missverständnisse? War je ein Mensch auf dem Mond? War Sarah Connor nackt unter ihrem „Wetten dass...?“-Kleid?

Fragen, die die Menschheit seit jeher begeistern. Zu diesen Mysterien unserer Welt wollen wir heute ein neues, dunkles Geheimnis bremischen Ursprungs hinzufügen: die Legende der Bremer Stadtmusikanten.

Zum Inhalt: Eine Gruppe von Tieren, leicht in die Jahre gekommen, zu schwach für harte Arbeit, schließt sich zusammen und flieht, um dem Tod auf der Schlachtbank zu entkommen. Warum aber wird diese Erzählung im Gebiet der Hansestadt angesiedelt? Die gängigen Stadtführungen erklären dies zum einen mit der Tatsache, dass Bremer mit die ersten Städter waren, welche sich Katzen als Haustiere hielten, sich also, anders als in der Erzählung der Gebrüder Grimm, um ihre Tiere kümmerten und sogar für ihre eigene Spezies eine soziale Ader hatten: Regelmäßig veranstaltete die Stadt Benefiz-Essen, Begünstigte waren Witwen und Senioren.

Das war auch echt nett von dir, Bremen, wirklich. Nichtsdestotrotz müssen wir, die Gebrüder Fischer, nun endlich ein Geheimnis lüften, welches in unserer Familie von Generation zu Generation bewahrt und weitergegeben wurde. Steigen wir hierfür noch einmal in die Geschichte der tierischen Stadtmusikanten ein: Nach allerlei bestandenen Abenteuern ziehen unsere vier Freunde also, und das entspricht der Wahrheit, in eine Räuberbude kurz vor Bremen ein.

Den Namen dieses Ortes ließen die Stadtväter Bremens auf dem Weg zur Super-Metropole jedoch aus Konkurrenzangst aus den Geschichtsbüchern streichen. Eine Räuberbude kurz vor Bremen? Es handelt sich natürlich um, ja, genau: Delmenhorst.

Was wäre gewesen, wenn dieses schöne Städtchen nicht um ihre rechtmäßige Legende, die der „Delmenhorster Stadtmusikanten“, betrogen worden wäre. Es liegt doch auf der Hand, was so eine Erzählung zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als die Städte um Handel und Wirtschaft wetteiferten, für eine Wirkung in punkto Glamour und Anziehungskraft hatte. Der Verlust für Delmenhorst: ein kultureller und ökonomischer Super-GAU – bis heute schmerzlich sichtbar. Der Wunsch, selbst einmal Kulturhauptstadt zu werden, in unendliche Ferne gerückt.

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