Türkei bekommt den Kalifen nicht

OLG Düsseldorf lehnt Auslieferungsersuchen der türkischen Regierung ab. Begründung: Dem „Kalifen von Köln“ drohe ein Prozess, bei dem erfolterte Aussagen gegen ihn verwandt werden. Minister Schily beharrt auf Abschiebung des Islamisten

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Metin Kaplan, der so genannte Kalif von Köln, kann zunächst in Deutschland bleiben. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf lehnte gestern nach langer Prüfung einen Auslieferungsantrag der Türkei ab. Der Islamist könne von türkischen Gerichten kein faires Verfahren erwarten, hieß es zur Begründung. Unklar ist aber noch, ob damit auch die von deutschen Behörden betriebene Ausweisung und Abschiebung von Kaplan unmöglich ist.

Kaplan war Oberhaupt der in Köln ansässigen radikalislamischen Organisation „Kalifatsstaat“, die 2001 von Innenminister Otto Schily verboten wurde. In den letzten vier Jahren saß er in deutscher Strafhaft, weil er mehrfach zur Tötung eines politischen Rivalen aufgerufen hatte. Die Türkei hatte die Auslieferung von Kaplan beantragt, um ein Verfahren wegen Hochverrats gegen ihn einzuleiten. Vorgeworfen werden ihm die Gründung des „Kalifatsstaates“, der auf die Beseitigung des türkischen Staates abziele, sowie Aufrufe zum heiligen Krieg und zu konkreten Attentaten auf die türkische Staatsspitze.

Die Düsseldorfer Richter hielten eine Auslieferung wegen dieser Vorwürfe zwar grundsätzlich für zulässig, allerdings bestehe im Fall von Kaplan ein „Auslieferungshindernis“. Im Januar dieses Jahres war Kaplans Schwager von einem türkischen Gericht verurteilt worden, wobei auch unter Folter erpresste Aussagen von Kaplan-Anhängern verwandt wurden. Nach Ansicht des OLG besteht die Gefahr, dass solche Aussagen auch in einem Prozess gegen Kaplan eine Rolle spielen, obwohl sie nach internationalem Recht nicht verwertbar sind.

Im Laufe des Verfahrens hatte die Türkei gegenüber deutschen Stellen zahlreiche Zusicherungen gegeben: dass gegen Kaplan kein Todesurteil verhängt werde, dass er seinen Anwalt frei wählen könne, dass die deutsche Botschaft ihn betreuen könne und dass er nicht von der Polizei, sondern nur von Staatsanwälten oder Richtern verhört werden solle. Dies alles genügte den Düsseldorfer Richtern nicht.

Kaplans vierjährige Strafhaft war im März dieses Jahres beendet. Anschließend saß er in Auslieferungshaft. Daraus wird er jetzt entlassen, wie das OLG Düsseldorf gestern anordnete. Völlig sicher ist er damit aber nicht, denn die Kölner Ausländerbehörde hat schon vor Jahren seine Ausweisung angeordnet. Bisher scheiterte die Abschiebung allerdings an rechtsstaatlichen Problemen. Seit die Türkei die Todesstrafe abgeschafft und die oben erwähnten Zusagen gegeben hat, schien die Abschiebung unmittelbar bevorzustehen.

Bundesinnenminister Otto Schily und sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Fritz Behrens bedauerten die Haftentlassung Kaplans. Der Gerichtsbeschluss, in dem die Auslieferung Kaplans abgelehnt wird, sei aber noch keine Vorentscheidung für das laufende Ausweisungsverfahren, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. „Im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik muss über Ausweisung und dann Abschiebung kurzfristig entschieden werden“, so Schily und Behrens.

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