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Archiv-Artikel

Freiheit für den Wissensdurst

Journalisten- und Bürgerrechtsorganisationen wollen, dass grundsätzlich jeder die Unterlagen staatlicher Stellen einsehen kann. Sie erhoffen sich wirksamere demokratische Kontrollen. Nur Privates und Betriebsinterna sollen geheim bleiben

AUS BERLIN ANDREAS SPANNBAUER

Deutsche Behörden werden immer verschwiegener. „Was den Behörden nicht passt, bleibt Amtsgeheimnis“, meint der Journalist Thomas Leif. Zusammen mit Journalisten- und Bürgerrechtsorganisationen überreichte der Vorsitzende des „Netzwerks Recherche“ daher gestern einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz an Bundespräsident Wolfgang Thierse (SPD). „Dieses Gesetz ist aus unserer Sicht Sauerstoff für die Demokratie“, betonte Leif.

Ein Informationsfreiheitsgesetz soll nicht nur Journalisten die Arbeit erleichtern. Vielmehr sollen Unterlagen von öffentlichen Stellen grundsätzlich für jeden zugänglich sein. Der Nachweis eines bestimmten Interesses ist dabei nicht mehr notwendig. Im Gegenteil: Staatliche Stellen müssten im Einzelfall begründen, warum sie bestimmte Informationen für sich behalten wollen. „Die Beweislast würde also zu Gunsten der Bürger und der Medien umgekehrt“, sagte Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes.

Die Befürworter des Informationsfreiheitsgesetzes erhoffen sich davon eine wirksamere demokratische Kontrolle. „Wer den Wählern Opfer abverlangt, muss auch seine eigenen Maßnahmen transparent machen“, so Helmut Platow, Mitglied im Bundesvorstand der Dienstleistungsgesellschaft Ver.di. Christoph Bruch von der Humanistischen Union (HU)wies darauf hin, dass Verwaltungen zur Überprüfung ihrer Arbeitsweise gezwungen seien, wenn ihr Vorgehen transparent gestaltet werde. Auch Korruption werde dadurch „schon im Ansatz verhindert“, sagte Hansjörg Elshorst, Vorsitzender von Transparency International. Er hoffe daher, dass der Bundestag so bald wie möglich ein Informationsgesetz beschließe.

Auf der Agenda der rot-grünen Koalition steht das Thema zwar schon seit ihrem Antritt 1998. Doch bisher ist noch nicht einmal ein Entwurf für ein Gesetz in den Bundestag eingebracht worden. Zuletzt legte Innenminister Otto Schily im Februar letzten Jahres eine Diskussionsgrundlage vor. Ein früherer Entwurf war am Widerstand der Ministerialbürokratie und der Wirtschaft gescheitert. Derzeit verhandeln die Fraktionen von SPD und Grünen wieder über das Papier aus dem Hause Schily – doch die Probleme sind die gleichen geblieben. „Die Ministerialbürokratie hat Interesse, möglichst wenig preiszugeben“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Grietje Bettin im Gespräch mit der taz. Zwar räumt auch sie ein, dass es in sensiblen Bereichen Ausnahmen geben müsse – „doch die Zahl der Thermounterhosen bei der Bundeswehr ist für uns nicht schützenswert“.

Auch der nun vorgelegte Entwurf des „Netzwerks Recherche“ sieht Sonderregeln für sensible Bereiche vor. Ermittlungstätigkeiten der Polizei, nicht abgeschlossene Entscheidungsprozesse bleiben nach wie vor unter Verschluss. Auch private Belange und Betriebsgeheimnisse wären von der Regelung ausgenommen. „Mit der Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes“, so der HU-Vorsitzende Bruch, „würde Deutschland den Anschluss an die demokratische Entwicklung innerhalb der EU endlich wieder herstellen.“

SPD und Grüne erklärten, sie würden die Vorschläge in ihre Beratungen „miteinbeziehen“.

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