der andere blick auf den kirchentag (2) : Eine muslimische Perspektive von NADEEM ELYAS
Viel Spaß mit dem Dialog
Dass der Dialog auch Spaß machen kann, bekommt man am deutlichsten bei den Kirchen- und Katholikentagen zu spüren. Kommen zu den üblichen Dialogveranstaltungen meist die Dialogüberzeugten, sind es bei den Kirchentagen meist junge Menschen, die zum ersten Mal bei solchen Dialogbegegnungen mitmischen. Die alteingefleischten Dialogexperten müssen es schon über sich ergehen lassen, dass ihnen die gesamte Palette der Fragen und Themen aufgerollt wird. Gerade die Unbefangenheit des Publikums, mit der der Dialog prinzipiell hinterfragt wird, führt bei manchen Dialogexperten zur Selbstkritik und Ernüchterung.
Fragen nach dem Sinn des Dialogs, den bisherigen Erfolgen, unverzichtbaren Grundsätzen und möglichen Zugeständnissen tauchen genauso auf wie Fragen nach Methode und Auswahl der Dialogpartner. Berechtigte Fragen, wie weit die Basis einbezogen ist und welche Rückendeckung der Dialog bei den höchsten Leitungen der Religionsgemeinschaften genießt, werden zwar vor dem Publikum beantwortet, bleiben allerdings oft vor dem eigenen Gewissen unzulänglich verhüllt.
Das wachgerüttelte Innere lässt die Anfänge des Dialogs zwischen Muslimen und Nichtmuslimen Revue passieren. Die ersten muslimischen „Gastarbeiter“ in den 60er-Jahren empfanden weder die Notwendigkeit des Dialogs, noch waren sie dazu fähig. Anders verhielt es sich mit den Studenten und Akademikern, die sich als eine Brücke zwischen Orient und Okzident sahen und schon in den 60er-Jahren daran gingen, „Kulturzentren“ zu errichten, die diese Brückenfunktion wahrnehmen sollten. Priorität und gefestigte Strukturen bekam der Dialog erst mit Bildung der bundesweiten Spitzenorganisationen in den 80er-Jahren, die sich – wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) – losgelöst von den täglichen lokalen Problemen der Gemeinden dem Dialog widmen konnten.
Die ersten Dialogschritte mit den beiden großen Kirchen waren einfacher als mit den anderen Religionsgemeinschaften. Viel Überwindung kostete dieser Schritt in Richtung der Juden, der Bahaii und der Aleviten. Dass auch diese Schritte erfolgt sind, zeigt, dass der Dialoggedanke doch Erfolge haben kann. Auch Parteien und Politiker, Gewerkschaften und Stiftungen, Medien und Denker gehören mittlerweile zur Klientel der muslimischen Dialogpartner.
Längst wurde die gegenseitige Missionierung und die Vermischung der Religionen als Ziele des Dialogs ausgeschlossen. Von muslimischer (weniger von kirchlicher) Seite wurde der rein theologische Dialog hintangestellt, nicht aber gänzlich ausgeschlossen. Gemeinsame Auftritte und Projekte finden zögerlich statt, werden aber langfristig ihre Wirkung nicht verfehlen. Der Schulterschluss zwischen den Gläubigen ist keine Seltenheit mehr. Vertrauen und Freundschaften nehmen zu. Dies ermutigt zu offener Kritik und lässt immer mehr Kontroverse zu.
Die vielen innerislamischen – aber auch innerchristlichen und innerkirchlichen – Schwierigkeiten sowie die ständigen Attacken der Dialoggegner verpflichten zum behutsamen Umgang mit dem Dialogpartner. Nicht selten werden die Dialogpraktiker als Verräter der eigenen Lehre angesehen. Fanatische Gegner der Muslime versuchen, jede Annäherung zu ihnen durch Unterstellungen zu torpedieren. Mal sollen die muslimischen Dialogpartner zu „winzig“ und nicht stellvertretend für alle Muslime sein, mal sollen sie „fundamentalistisch“ und „hinterlistig“ sein. Wer mit ihnen den Dialog führt, soll „naiv“ und „blauäugig“ sein. Die vielen Stolpersteine und Hindernisse verpflichten zu noch mehr Beharrlichkeit und Anstrengung. Der lange beschwerliche Weg zur christlichen Ökumene, die im jetzigen Ökumenischen Kirchentag deutliche Erfolge zeigt, ermutigt auch zum interreligiösen und gesellschaftlichen Dialog mit den Muslimen in unserer multikulturellen Realität. Denn es bleibt uns kein anderer Weg als der des Dialogs.
Nadeem Elyas ist Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland e. V. (ZMD).