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Archiv-Artikel

Pro Bahn ist contra Bahn

Prozess um Äußerung des Fahrgastverbandes, dass bei der Bahn „jeder zweite Kunde zu viel für sein Ticket zahlt“. Gericht hat noch kein Urteil gefällt

Als die „Stiftung Warentest“ im Dezember das neue Preissystem der Bahn heftig kritisierte, hatte deren Vorstandsvorsitzender Hartmut Mehdorn die Verbraucherschützer schlicht diffamiert: Sie hätten „durch realitätsfremde und einseitige Testbeispiele gezielt negative Ergebnisse herbeigetestet“. Auch die Kritik des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“ wollte die Bahn nicht auf sich sitzen lassen. Sie klagte auf Unterlassung gegen den Bundesvorsitzenden Karl-Peter Naumann, der in einer Boulevardzeitung mit den Worten zitiert worden war: „Jeder zweite zahlt zu viel für sein Ticket.“ Gestern verhandelte darüber das Landgericht. Ein Urteil fiel noch nicht.

Für das Gericht hat sich der Fall im Grunde schon erledigt, ehe er zur Verhandlung gekommen ist. Denn vorige Woche hat Mehdorn angekündigt, bei den Tarifen nachzubessern, und zeitgleich zwei verantwortliche Mitarbeiter vor die Tür gesetzt. Da die Bahn laut dem Vorsitzenden Richter „selber zurückrudert beim Preissystem“, habe die daran geübte Kritik „ja wohl gefruchtet“, stellte er fest und regte eine außergerichtliche Einigung an. Zu der aber kam es nicht.

Bahn-Justitiar Christian Schreyer sagte, er wolle sich gegen den Vorwurf wehren, „dass unser Unternehmen seine Kunden übers Ohr haut“. Mit Kritik könne er grundsätzlich gut leben, nicht aber mit der Aussage, die Bahn würde von ihren Kunden zu viel Geld verlangen.

Das aber habe Naumann ohnehin nie gesagt, hielt dessen Anwalt Lothar Neuhoff dagegen: Die Redakteure jener Boulevardzeitung hätten damals in einem Bahn-Kundenzentrum Fahrgäste zu den von ihnen bezahlten Tickets befragt und Naumann deren Angaben dann kommentieren lassen. Seine Äußerung sei also nur auf dieses Testergebnis, nicht aber auf das gesamte Tarifsystem bezogen gewesen.

Neuhoff sieht in dem Prozess einen Versuch der Bahn, KritikerInnen mundtot zu machen: „Wer sich mit Kritik aus dem Fenster lehnt, muß damit rechnen, mit einem kostspieligen Prozess überzogen zu werden“, warf er der Bahn vor. Es dürfe aber nicht so weit gehen, dass der Vorstand der Bahn darüber entscheiden könne, „was gesagt werden darf und was nicht“. Das bestätigte auch Pro-Bahn-Vorstandsmitglied Rainer Engel am Rande des Prozesses: „Wir wissen aus vielen Zuschriften, dass unsere Kritik die Schmerzen der Kunden auf den Bahnsteigen und in den Schalterhallen trifft.“ELKE SPANNER