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Archiv-Artikel

Konfiszierte Maus

Oldenburger Forscher befragte Familien zur Internet-Nutzung: Streit droht, wenn Kinder mehr wissen als Eltern

taz ■ Aus dem Kinderzimmer tönen die Geräusche einer ausgedehnten Counterstrike-Sitzung. Papi ist davon genauso genervt wie vom Klackern der Tastatur im Wohnzimmer: Dort chattet Mutti schon seit zwei Stunden. Wie soll er sich da nur aufs Online-Banking konzentrieren?

Studien zufolge verfügen etwa drei Viertel aller Familien über einen internetfähigen Computer. Das eben geschilderte Szenario jedoch bildet immer noch die Ausnahme – zumindest, wenn man Niels Logemann folgt. Im Rahmen einer Studie des Instituts für Soziologie an der Uni Oldenburg hat er 30 Familien bei der Internetnutzung über die Schulter geschaut. Seine Erkenntnisse fördern zwar keine dramatische Veränderung der Familiendynamik zu Tage, doch mit dem Computer ändern sich die Verhältnisse im Kleinen. Logemann: „In der Regel sind es die Jugendlichen, die ihren Eltern den Weg in die virtuellen Welten zeigen.“ Und wenn Kinder kleine Geschwister und Eltern gleichermaßen in den Gebrauch der neuen Technologie einweisen, kann das für letztere leicht Autoritätsverlust bedeuten. „Bei Kindern, die ohnehin aufmüpfiger sind“, räumt der Familiensoziologe ein, „kann das Gefühl, technisch überlegen zu sein, schon zu Konflikten führen“. Wenn der Sohn dann nächtelang Spiele zockt, statt den Rechner für seine Weiterbildung zu nutzen, wenn die schulischen Leistungen absinken, ist guter Rat teuer. Das Konfiszieren der Tastatur oder der Maus wirkt wie ein unbeholfener Versuch, die mit bestem Willen gerufenen Geister wieder zu exorzieren.

Die Eltern selbst erweisen sich als weitgehend resistent gegenüber den Verlockungen des World Wide Web. Manchmal allerdings lassen auch sie sich vom Internet-Virus infizieren: So habe der Hang einer Mutter zu ausgiebigem nächtlichem Chatten in einem Fall zum regelrechten Ehekrach geführt, erzählt Logemann. Auf den Trichter sei die Frau erst über ihre Tochter gekommen. In der Regel jedoch haben die Eltern alle Hände voll zu tun, das Verhalten ihrer Sprösslinge zu kontrollieren. Und sei es durch den Einsatz eines Routers, der die Verbindung in die virtuelle Welt jederzeit unterbinden kann.

Der Vater als unsichtbarer Kontrolleur hinter dem Zentralrechner? Eine Ausnahme: Die meisten Haushalte haben nur einen einzigen Netzanschluss.

Nils Logemann glaubt, dass sich die Konflikte auf lange Sicht entschärfen werden. Als der Fernseher Einzug in die Wohnzimmer gehalten habe, sei das schließlich nicht anders gewesen.Christoph Kutzer