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Archiv-Artikel

Goodbye, Frau John!

Nach knapp 22 Jahren Amtszeit beendet Barbara John ihre Tätigkeit als Ausländerbeauftragte des Landes Berlin. Zum Abschied Eindrücke, Erinnerungen, Meinungen von Menschen aus ihrem Umfeld

von SUSANNE LANG und FELIX LEE

Der Amtsvater

Richard von Weizsäcker (CDU), ehemaliger Bundespräsident, Regierender Bürgermeister a. D. und Erfinder des Amtes:

„Zu Beginn von Barbara Johns Tätigkeit als Ausländerbeauftragte war das Amt noch im Schöneberger Rathaus angesiedelt – in unmittelbarer Nähe zum Senat und zu mir. Dadurch hatten wir viel Kontakt. Und, mit Verlaub, ich war immer sehr stolz auf sie. Da mir als Regierendem Bürgermeister von Beginn an das Zusammenleben mit den Ausländern besonders am Herzen lag, war ich so glücklich über die Person und die Leistung von Barbara John. Ihre praktische Arbeit im Bezirk Kreuzberg und ihre Einstellung zum Thema Migration haben auf mich bei der Suche nach der Besetzung des neuen Amts großen Eindruck gemacht. Natürlich auch ihr Charakter: Sie ist unaufgeregt, nicht anspruchsvoll, zugleich vollkommen souverän. Das findet man selten in der Politik.

Gerade auch aus der Zusammenarbeit mit ihr habe ich etwa gelernt, wie wichtig es ist, unser Staatsangehörigkeitsrecht zu reformieren. Die Idee der Doppelstaatsangehörigkeit war gerade für die junge Generation von Türken in Berlin ein existenzielles Problem. Und, meine Güte, was hat es hier für ideologische Schwierigkeiten dagegen gegeben, die Frau John und ich immer ganz abwegig gefunden haben.

Ihr größter Erfolg für Berlin ist, dass sie eine für Ausländer offene, einsichtsvolle Stadt geworden ist. Erst jetzt, durch die Wiedereinrichtung der deutschen Hauptstadt, zeigt sich, wie überaus wertvoll die Grundlage war, die Barbara John dafür gelegt hat.“

Der Kreuzberger Kiez

Der Schneidermeister, Maß- und Änderungsschneiderei in der Dresdner Straße:

„Ich kenne Frau John schon seit zwanzig Jahren. Sie kam früher häufig hierher. Ich habe ihr einmal ein Kostüm geschneidert. Sie steht auf graue und blaue Farben. Nun ist sie seit langem nicht mehr im Geschäft gewesen. Das finde ich schade.“

Ein Gast im Café Ferat in der Dresdner Straße:

„Schade, dass sie bei der CDU war. Die CDU macht schlechte Ausländerpolitik.“

Die Kellnerin bei KuchenKaiser, Oranienplatz:

„Die Grünen haben hier häufig verkehrt. Da war sie bestimmt auch mal dabei.“

Die Friseuse bei Coiffeur Dogan am Oranienplatz:

„Ich finde Frau John gut. Sie war immer für uns Ausländer da. Bei mir war sie nie zu Besuch. Aber das nehme ich ihr nicht übel. Sie hatte bestimmt viel zu tun.“

Der Dönerverkäufer am Kottbusser Tor:

„Ich kenne sie. Aber nur aus der Zeitung. Einen Döner habe ich sie zumindest noch nicht bei uns essen sehen.“

Der Türkische Bund Berlin (TBB)

Safter Cinar, Sprecher des TBB:

„Ich kenne Barbara John noch aus unserer gemeinsamen Zeit in der Bezirksversammlung Kreuzberg. Sie war Fraktionsvorsitzende, ich stellvertretender Vorsitzender der GEW. Somit habe ich ihre Entwicklung ganz gut miterlebt. Als Frau John Ausländerbeauftragte wurde, hatte keiner eine richtige Vorstellung von der Tätigkeit. Wir von der türkischen Community waren auf jeden Fall sehr froh, dass keine Lummer ähnliche Person damit betraut wurde. Gegen seine Ausfälle hat sich Barbara John von Anfang an gestellt. Das finde ich gut.

Teilweise hat sie anfangs aber auch Unfug erzählt, zum Beispiel diesen schrecklichen Satz, dass wir „in der Ausländerpolitik zwischen Pest und Cholera zu wählen haben“. Heute gibt sie ganz offen zu, dass das Unfug war und aus Unsicherheit im neuen Amt entstanden ist. Diese Fähigkeit, durch die Arbeit im Laufe der Zeit Einsichten zu verändern, muss man ihr, wie ich finde, hoch anrechnen. Ihr Verdienst war es, als Moderatorin zu vermitteln.

Offiziell hatten wir zwei- bis dreimal im Jahr Gespräche mit ihr. Aber wie das so ist, wenn man im gleichen Sumpf arbeitet, sieht man sich automatisch öfter. Einmal war ich zusammen mit Frau John essen, und ich hatte ein Schweineschnitzel bestellt, was sie sehr erstaunt hat. Schweinefleisch als Muslim. Ich habe sie beruhigt und ihr versichert, dass es auf islamische Art geschlachtet ist. Sie hat es wirklich geglaubt, aber es ist natürlich Quatsch. Es gibt keine islamische Art, zu schlachten. Bei vielen Türken war und ist sie aber sehr beliebt, gerade weil sie mit der Kultur vertraut ist.

Auch wenn ich persönlich diese Nähe – von vielen wird sie „Abla“, große Schwester, genannt – nicht mag. Diese Vertrautheit verhindert oft, dass Probleme angesprochen werden. Und Frau John neigt dazu, Probleme nicht aufkommen zu lassen. Dann vermeidet sie es, sich zu äußern. Beispiel Flüchtlingsarbeit oder Antidiskriminierung. Dass sie die türkische Community bevorteilt hätte, dieser Vorwurf ist haltlos.“

Der Club der polnischen Versager, Torstraße

Adam Gusowski, Mitbegründer des Clubs:

„Wir haben Barbara John kaum wahrgenommen. In der polnischen Community kursieren Gerüchte, Frau John sei sehr türkischlastig gewesen. In unserem Club ist dies überhaupt kein Thema. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir grundsätzlich wenig Kontakt zu der Behörde der Ausländerbeauftragten haben. Die Themen Migration und Integration spielen zwar auch bei uns eine wichtige Rolle, aber wir versuchen, unsere Kräfte auf eine andere Schiene zu lenken.

Unsere Aktionen und Gespräche finden auf einem sehr niedrigen Niveau statt: Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Menschen. Unser Zugang ist ironisch, selbstironisch. Ob das offizielle Amt sich daran ein Beispiel nehmen kann?

Ich würde mir ungern anmaßen, Ratschläge zu geben. Weder Frau John noch an den neuen Beauftragten. Dazu sehe ich mich intellektuell gar nicht in der Lage. Ich möchte ja niemandem aus Unwissenheit wehtun. Wünschenswert wäre aber, dass das Amt weniger konjunkturell arbeiten würde. Weniger nach dem Motto: Was gerade angesagt ist, wird finanziert.“

Die letzte Chefin

Senatorin für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Heidi Knake-Werner (PDS):

„Als ich mein Amt als Sozialsenatorin angetreten habe, war ich sehr froh, in Barbara John eine kompetente Mitarbeiterin vorgefunden zu haben, bei der ich keine Nöte hatte, mir auch manche Abläufe erklären zu lassen. Ich habe sie als eine ausgesprochen angenehme, zupackende und couragierte Frau erlebt. Mutig zum Beispiel im Hinblick auf ihre eindeutige Positionierung in der Debatte um das Zuwanderungsgesetz. Auch vor ihrem Widerstand gegen die eigene Partei in dieser Frage, davor habe ich Respekt.

Dass die unterschiedlichen Positionen über die Gestaltung ihrer Nachfolge als persönlicher Konflikt zwischen Barbara John und mir dargestellt wurde, dafür habe ich immer noch kein Verständnis. Diesen Konflikt hat es nie gegeben, er wurde von den Medien inszeniert. Ich war der Überzeugung, dass das Amt an Unabhängigkeit eingebüßt hätte, falls Frau Johns es ehrenamtlich weitergeführt hätte. Gerade die Hauptamtlichkeit, die Barbara John ja mit Perfektion ausgeführt hat, gab ihr eine relativ eigenständige Position, ohne die sie all die wechselnden Senatsregierungen wohl nicht überstanden hätte. Barbara John hat eine Menge geleistet in diesen vielen Jahren, dafür gebührt ihr Dank. Sie hat in Berlin eine unbestrittene Haltung zur Migrationspolitik in der Öffentlichkeit etabliert.“