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Archiv-Artikel

Für die BVG ist der Zug abgefahren

Linke Gruppen wollen der BVG unsoziale Entscheidungen madig machen – mit Demos und kollektivem Schwarzfahren

Nach der samstäglichen Riesendemo gegen Sozialabbau widmen sich zahlreiche linke Gruppen jetzt wieder dem Widerstand gegen Kürzungen, die jeder im Alltag spürt. Ein besonders dankbares Angriffsziel bieten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Der Wegfall vergünstigter Tickets für Erwerbslose und SozialhilfeempfängerInnen, die Preiserhöhungen zum 1. April und die kürzlich bekannt gewordenen saftigen Vorstandsgehälter sorgen quer durch die Bevölkerung für Empörung – daran wollen die AktivistInnen anknüpfen.

Die Protestpalette ist groß: Sie reicht vom kollektiven Schwarzfahren über die Aktion „Die Kontrolleure kontrollieren“ bis hin zu Demonstrationen und Kundgebungen vor der BVG-Zentrale in Berlin-Schöneberg.

Manches ist bereits erprobt: Die erste Schwarzfahraktion fand am 10. Januar im Rahmen der Studierendenproteste statt, damals gehörten noch Professoren und Pastoren zu den Unterstützern. „Mittlerweile ist die Aktion ein Selbstläufer“, sagt ein Aktivist der Gruppe F.e.l.s. (Für eine linke Strömung). Die Gruppe ist mit Studierenden- und Erwerbsloseninitiativen Teil der „Berlin-Umsonst-Kampagne“, in die auch die Schwarzfahraktionen eingebettet sind. Nicht nur der Nahverkehr, sondern auch Schwimmbäder, Konzerte oder Ausstellungen sollen gemeinsam und ohne Eintritt zu bezahlen genutzt oder besucht werden. Kürzlich wurde im Kreuzberger Stadtteilzentrum Kato auf einer gut besuchten Veranstaltung über die theoretischen Grundlagen der Schwarzfahrkampagne diskutiert. Dirk Hauer von der Jobberinitiative „Blauer Montag“ aus Hamburg begrüßt solche Aktionen der „direkten und kollektiven Aneignung“ und erinnerte daran, dass diese nicht neu sind. Schon in den 70er-Jahren seien gemeinsame Schwarzfahraktionen organisiert worden. Damals habe man den Fahrgästen noch Broschüren mit Tipps zum erfolgreichen Schwarzfahren in die Hand gedrückt, so Hauer.

In den nächsten Wochen muss sich die BVG auf einiges gefasst machen: Am 17. April ist eine Demo vom Potsdamer Platz zur BVG-Zentrale geplant. Am 19. und 26. April sind weitere Kundgebungen vor der Zentrale in Vorbereitung. Ziel ist die Kontaktaufnahme mit den vielen Menschen, die dort Schlange stehen, weil sie ohne Fahrschein erwischt wurden und die fällige Gebühr zahlen müssen. Teilweise müssen die Leute bis zu zwei Stunden warten.

Die AktivistInnen hoffen auf Zuspruch. Für viele Linke hingegen ist das Schwarzfahren gar nicht so einfach. „Ich habe ja mein Semesterticket“, meinten drei junge Zuhörer, die nach der Schwarzfahrveranstaltung gefragt wurden, ob sie das Gehörte nicht in die Praxis umsetzen wollen. PETER NOWAK