Digitale Schnüffelnase

Google will private E-Mails scannen – zu Werbezwecken. Ein bedenklicher Eingriff in die Privatsphäre

Die Suchmaschine Google testet ein eigenes E-Mail-Angebot: G-Mail. Kostenlos soll es sein, den obligatorischen Spam-Filter enthalten und ein Gigabyte Speicherplatz zur Verfügung stellen – bis zu hundertmal mehr als andere Anbieter. Um im Postfach Ordnung zu schaffen, planen die Betreiber der Internet-Suchmaschine zudem ein besonderes Feature: Gesendete E-Mails werden gespeichert und inhaltsbezogen sortiert, die Texte automatisch nach Schlüsselwörtern gescannt. Die Benutzer können ihre abgeschickten E-Mails nach bestimmten Begriffen durchsuchen; kein lästiges Durchforsten alter Mails, die nur chronologisch sortiert sind. Ein praktischer Service, dem aber das Briefgeheimnis zum Opfer fällt.

Finanziert wird G-Mail durch kundenbezogene Werbung. Die gescannten Stichwörter dienen dazu, dem Kunden Werbung in den Account zu stellen. Wurde in einer E-Mail die zuletzt gekaufte Jeans erwähnt, ist es gut möglich, dass bald die bunte Anzeige einer Modemarke ins Bild springt; der persönliche E-Mail-Account verliert das Maß an Privatsphäre, das er eigentlich suggeriert. Das Unwissen darüber, warum eine bestimmte Werbung in unserem Account erscheint, ist der Preis, den wir für die neue Ordnung im Postausgang zahlen. Die Kunden sollen durch die Werbung Informationen erhalten, „die für sie nützlich sind“, preist Jonathan Rosenberg an, Vizepräsident der Produktgruppe von Google. Auf keinen Fall werde Information aus privaten E-Mails den Konzernen zugespielt. Diese erhielten nur darüber Auskunft, wie oft ein Link angeklickt werde.

Die Privatsphäre der Kunden solle geschützt werden; kein Mensch, sondern nur Computer lesen die E-Mails der Kunden. Google werde die Information aus den E-Mails nicht an Dritte weiterleiten, heißt es. Aber auch wenn Google mit der persönlichen Mail vertraulich umgeht, wird der Kunde einer elektronischen Nase ausgeliefert, die in Mails nach Hinweisen über das Konsumverhalten schnüffelt. Mit Vertrauen und gutem Willen kann man über den faden Beigeschmack hinwegsehen, ein gläserner Kunde zu sein, dessen persönliche E-Mails nach Werbethemen durchforstet werden.

Viel weniger erträglich ist das Vorhaben, den G-Mail-Benutzer mit persönlich zugeschnittener Werbung zu bombardieren. Der Schutz vor Internet-Müll, den der Spam-Filter bietet, wird durch die Finanzierungsidee von G-Mail wieder wettgemacht. Kein Spam und keine ungewollt aufspringenden Bildchen, so genannte Pop-Ups, dafür „für den Kunden wichtige Anzeigen“, wie es Google bezeichnet. Auf diese wichtigen Informationen könnten G-Mail-Benutzer wohl schnell verzichten. Zu rechtfertigen wäre das Scannen der Mails vielleicht noch, wenn Konzerne ein Feedback über kritische Äußerungen erhielten. Wer in einer E-G-Mail über jüngst gekaufte Hosen lästert, die an den Knien nach drei Wochen durchscheuerte, sollte diese Kritik – wenn überhaupt – an den Kundenservice des Herstellers weitergeleitet wissen. NIKLAS ALT