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Archiv-Artikel

Lücken im Detail

Steinmeier bestreitet bei seiner Aussage alle Vorwürfe, bewahrt aber meistens die Fassung. Anders als Fischer

AUS BERLIN STEFAN REINECKE

Frank-Walter Steinmeier möchte die Sache im Großen und Ganzen betrachten. Dann erscheint ihm die Aufregung um die zwei BND-Agenten in Bagdad bloß als „skurril“. Die USA verfügten im Frühjahr 2003 mindestens über 50 Informanten in Bagdad, bis hinein in die Republikanische Garde, sagt Steinmeier. Die US-Armee sei die modernste der Welt, ihre Aufklärung effektiv. Und da soll die US-Militärmaschine, die gerade 150.000 Mann in Bewegung setzte, „auf zwei BND-Agenten angewiesen gewesen sein, die meist im Keller der französischen Botschaft saßen?“

Wenn Steinmeier dies sagt, klingt es noch nicht mal polemisch. Er trägt diesen Gedanken dem BND-Untersuchungsausschuss routiniert, fast monoton vor. Er war damals als Kanzleramtschef für die Geheimdienste zuständig, und schon fünfmal hat er in diesem Ausschuss ausgesagt, der in zweieinhalb Jahren 105-mal getagt und dabei 5.143 Protokollseiten produziert hat. Steinmeier ist demonstrativ unaufgeregt. Es gibt nichts Neues, soll das suggerieren.

Ranghohen US-Militärs zufolge waren die Informationen der beiden BND-Agenten wichtig für die Kriegsführung der USA. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Steinmeier eisern behauptet – nämlich dass der BND nie Daten an das US-Hauptquartier in Katar gemeldet habe, die militärisch für den US-Angriff verwertbar gewesen seien. So sagt es der Außenminister seit zwei Jahren. Und rückt auch an diesem Tag keinen Millimeter davon ab.

Steinmeier tritt meist sachlich und kühl auf, nur manchmal wirkt er beleidigt, weil er sich seit Jahren mit so vielen Vorwürfen herumärgern muss.

Im Jahr 2003 führte George W. Bush die USA in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak. Rot-Grün lehnte den Krieg ab – und wurde von der Union und der US-Regierung scharf attackiert. Wenn man sich diese Situation in Erinnerung ruft, schrumpfen die beiden BND-Agenten zum unbedeutenden Detail.

So sieht es Steinmeier – und wirkt damit durchaus überzeugend. Wenn man das Detail allerdings unter das Mikroskop legt, erscheint Steinmeiers Wahrheit nicht mehr ganz so schlüssig.

Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) legt dem Außenminister ein geheimes Dokument vor – offenbar Daten über ein militärisches Ziel, das die BND-Agenten an die BND-Zentrale meldeten und das diese nach 28 Minuten an das Hauptquartier der US-Armee in Katar weiterleitete.

„Was sagen Sie dazu?“, fragt Kauder. Steinmeier wird unsicher. Er sei doch nicht der BND-Chef, sagt er verärgert. Und: „Ich werde das nicht kommentieren.“ Dreimal fragt Kauder nach, dreimal weicht Steinmeier aus. Nicht geschickt, wie sonst in dem Frage-Antwort-Spiel, eher mit dem Rücken zur Wand. „Gab es denn Bombardierungen wegen dieser Informationen der BND-Agenten?“, fragt Steinmeier schließlich ungehalten zurück. Aber das ist ein rhetorischer Kniff. Denn es reicht, dass der BND kriegsverwertbare Daten geliefert hat, um Steinmeiers eiserne Verteidigungslinie – wir haben alles richtig gemacht – zu erschüttern.

Wenn es um die Details geht, wirkt Steinmeier wie jemand, der eine morsche Stellung halten muss. Er hat sich darauf festgelegt, dass der BND nie Informationen weitergegeben hat, die für die Kriegsführung nützlich waren. Obwohl viel dafür spricht, dass dies so war. Die Wahrheit besteht wohl aus zwei Teilen: der großen, das Rot-Grün Bushs erschwindeltem Krieg widerstanden hat – und der kleinen, dass die zwei BND-Agenten doch ein paar für den Krieg brauchbare Daten geliefert haben.

Diese Stellung könnte Steinmeier gegen Angriffe effektiver verteidigen. Aber dazu müsste er korrigieren, was er bisher behauptet hat. Doch das ist zu riskant. Deshalb redet er über die politische Gesamtlage. Als Kristina Köhler (CDU), die ein gewinnendes Lächeln mit beharrlichem Nachbohren zu verbinden versteht, nach Details fragt, verliert der zuvor beherrschte Steinmeier fast die Fassung. „Frau Köhler, ich halte an mich!“ Und als der Grüne Christian Ströbele nachfragt, haut der sonst so besonnene Außenminister sogar mit der Hand auf den Tisch.

Vor ihm spricht Joschka Fischer vor dem BND-Untersuchungsausschuss – und hat es einfacher als Kanzlerkandidat Steinmeier. Denn als ehemaliger Politiker hat er nicht viel zu verlieren. Und als Außenminister war er für den BND nicht politisch verantwortlich.

So redet Fischer viel über die politische Großwetterlage. Dass Rot-Grün geheim doch den Irakkrieg unterstützt habe, sei „völliger Quatsch“. Weil die Bush-Regierung sich die Fakten zurechtbog, brauche man Geheimdienstleute vor Ort. „Das ist doch der Sinn des BND“, blafft Fischer. Was US-Generäle im Spiegel sagen, nennt Fischer „tote publizistische Flugenten, die noch mal in die Luft geworfen werden“. Bei allem, was er sagt, lautet der Subtext: Warum muss ich mir so bescheuerte Fragen anhören? Fischer redet viel und sagt wenig.

Als Inge Höger von der Linkspartei wissen will, wofür man Agenten in Bagdad brauchte, fährt Fischer sie an, dass dies eine unmögliche Frage für eine PDS-Politikerin sei, wo doch „die Stasi ihr eigenes Volk ausspioniert hat“.

Der CDU-Ausschussvorsitzende Kauder mahnt, dass Fischer doch bitte die Frage beantworten möge. Fischers Entgegnung: „Gerade Sie als Konservativer müssten sich doch für Geschichte interessieren. Aber die Gesamtschulorientierung ist schon weit fortgeschritten in Deutschland.“ Man hatte schon fast vergessen, wie der Ton unter Rot-Grün war: oft hart, manchmal unterhaltsam, immer arrogant.