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Archiv-Artikel

Drei Schluchten laufen langsam voll

Gestern verschloss die chinesische Regierung ihren mächtigen Staudamm und begann die Flusstäler an den berühmten drei Schluchten zu überfluten. Trotz heftiger Proteste wegen der Risiken plant China bereits die nächsten Megadämme

aus Peking JUTTA LIETSCH

In der Nacht zum Sonntag war es soweit: Der Drei-Schluchten-Damm schloss 19 seiner 22 mächtigen Schleusentore. Innerhalb weniger Stunden stiegen die braunen Fluten des Jangtse an der Staumauer um 28 Meter – auf 106 Meter über dem Meeresspiegel. Bis Mitte Juni soll sich das Wasser weitere 29 Meter hoch anstauen.

Damit tritt das weltgrößte Wasserkraftprojekt in die entscheidende Phase: In Zentralchina entsteht ein Stausee in der Region der berühmten drei Schluchten Qutang, Wuxia und Xiling. Er verschlingt über 1.000 Städte und Dörfer und wird am Ende 660 Kilometer lang sein.

In den letzten Monaten haben Bulldozer viele Stadtteile am Ufer dem Erdboden gleichgemacht. Weiter oben am Hang entstanden neue Quartiere. In vielen Gemeinden hat die Aktion für große Unruhe gesorgt, da viele Bürger zu wenig oder gar keine Entschädigung erhielten.

Kaum ein Vorhaben in China ist so umstritten. Vor zehn Jahren begann der Bau – bis 2009 soll er fertig sein. Rund 25 Milliarden US-Dollar soll der Damm kosten. Die Anhänger des Projekts behaupten, dies sei nicht viel, denn die 26 Generatoren werden 18 Gigawatt billigen Strom erzeugen. Zum Vergleich: Alle deutschen Atommeiler produzieren zusammen 22 Gigawatt. Die Konstrukteure versprechen zudem, die Gewalt des mächtigen Jangtse zu zähmen. Bislang töten die Überschwemmungen jährlich hunderte von Menschen. Für die Gegner ist der Damm dagegen ein Symbol für Größenwahn der Partei. Kurz vor Beginn der Flutung appellierten Menschenrechts- und Umweltgruppen aus aller Welt an die UN, Chinas Politiker zum Aufschub zu drängen.

Über 700.000 Menschen sind bereits umgesiedelt worden, mehr als 400.000 werden noch folgen müssen. Ein Teil der Gelder, die für die Kompensation vorgesehen waren, verschwanden in den Taschen korrupter Funktionäre. Protestierende Anwohner wurden eingeschüchtert oder verhaftet.

Die Angst vor einem gewaltigem Dammbruch ist groß: Experten fürchten Erdbeben und den Verschleiß des Betons durch den Wasserdruck. Vor wenigen Tagen wurden bereits feine Risse im Material entdeckt. Der Chefingenieur des Damms, Zhang Chaoran, führt sie auf die „schwierig zu kontrollierende Wassertemperatur“ zurück. Der viele Schwemmsand, der sich im Stausee ablagern wird, macht die Sache nicht eben leichter.

Zudem dürfte sich das Kleinklima erheblich ändern. Schließlich modelliert der gewaltige Stausee die ganze Landschaft um. Zunächst aber gibt es ein ganz praktisches Problem: Der See droht zu einer riesigen Kloake zu werden. Zahlreiche Fabriken am Oberlauf sind Jahrzehnte alt und wahre Dreckschleudern. Auch die meisten Städte leiten ihr Abwasser ungeklärt in den Fluss. Wenn der Strom wegen der Stauung nur noch kriecht statt zu strömen, verliere er seine Selbstreinigungskraft, befürchten chinesische Umweltschützer.

Im Jahr 2000 suppten über 23 Milliarden Tonnen Abwasser in den Jangtse. Die Wasserverschmutzung in den Zuflüssen sei schlimmer als gedacht, gab jüngst ein staatlicher Umweltschützer zu. Um den Jangtse zu säubern, will die Regierung in den nächsten 7 Jahren rund 4,4 Milliarden Euro investieren.

Doch der Bau vieler Klär- und Müllbeseitigungsanlagen sowie die Umsiedlung von Fabriken kommt viel zu spät, sagen chinesische Ökologen: Es drohe eine Katastrophe. Das ficht die Staatsführung nicht an: China plant bereits vier weitere Staudämme, die zusammen doppelt so viel Strom produzieren sollen wie der Drei-Schluchten-Damm. Geplanter Baubeginn: 2005.