: Recht gesprochen, Recht gebrochen?
Nach milden Urteilen im Hannoveraner Hells-Angels-Prozess: Niedersächsischer Amtsrichter erhebt Anzeige und wirft Gericht und Staatsanwaltschaft Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt vor. Juristisches Nachspiel droht
Das rasche Ende des „Hells Angels“-Prozesses in Hannover am vergangenen Dienstag hat ein juristisches Nachspiel. Wie die Schaumburger Nachrichten am Wochenende berichteten, stellte ein Amtsrichter aus dem niedersächsischen Rinteln bei der Celler Generalstaatsanwaltschaft gegen die am Prozess beteiligten Richter und Staatsanwälte eine Strafanzeige wegen Rechtsbeugung und Strafvereitlung im Amt. Er sehe in der milden Strafe einen „rechtswidrigen, ja kriminellen Deal“, begründet der Richter seine Anzeige. Ein Sprecher des Generalstaatsanwaltes bestätigte am Sonnabend den Eingang der Anzeige.
14 Bremer Hells Angels waren nach einem 2006 erfolgten Überfall auf das Vereinsheim der verfeindeten „Bandidos“ in Stuhr-Brinkum (Kreis Diepholz), bei dem die Opfer zum Teil schwer verletzt worden waren, vor dem Landgericht Hannover angeklagt gewesen. Elf der Beschuldigten wurden nach gerade zwei Verhandlungstagen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Nur drei Angeklagte wurden wegen Vorstrafen zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb Jahren sowie zwei Jahren und zehn Monaten verdonnert, die nicht auf Bewährung ausgesetzt werden können.
Der Strafzumessung vorausgegangen war ein Deal zwischen den Prozessbeteiligten. Die Angeklagten gaben den Überfall, bei dem sie mit Axtstielen auf fünf Bandidos eingeschlagen hatten, zu. Im Gegenzug ließ die Staatsanwaltschaft den Anklagevorwurf des schweren Raubes fallen und plädierte nur auf eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung.
Einen Anklagevorwurf fallen zu lassen, sei nur erlaubt, wenn dieses Delikt bei der Strafe nicht ins Gewicht fallen würde, kritisiert nun der Amtsrichter. Davon könne im vorliegenden Fall „nicht die Rede sein“. Unter Würdigung des Raubvorwurfs wäre keiner der Angeklagten mit einer Bewährungsstrafe davongekommen Das Gericht habe, so der Anzeigenverfasser, somit „die Angeklagten unter Beugung des Rechts der gerechten Strafe entzogen“. Absprachen wie die vor dem Landgericht Hannover würden deshalb „das Schuldprinzip untergraben“.
Der Vorsitzende Richter Jürgen Seifert hatte am Dienstag den milden Urteilsspruch noch verteidigt. Die meisten Angeklagten seien nicht einschlägig vorbestraft gewesen. Berücksichtigt worden sei auch die lange Untersuchungshaft. Fast alle Angeklagten hatten mehr als sechs Monate lang wegen Verdunkelungsgefahr in U-Haft gesessen.
MARCO CARINI