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Archiv-Artikel

Verloren in Übersetzung

Der bayerische Morrissey-Imitator Perrecy spielte am Samstag als Vorband von Tomte in der Columbiahalle. Seine Ironie hat es allerdings schwer, wenn das Publikum auf den Hauptact wartet und The Smiths von den Eltern kennt

Dass die deutsche und deutschsprachige Popgeschichte meist eine der destruktiven Missverständnisse ist, gilt als international gesicherte Erkenntnis. Exotistische Anverwandlungen von Austrofred bis Señor Coconut zeigen: Die meinen es ernst. Im Fall von Variationen über The Smiths und Morrissey gebührt in der den Tomte-Sänger Thees Uhlmann („Wilhelm, das war nichts“) und Jochen Distelmeyer („Verstärker“) implizierenden Rangfolge der Mimikrymöglichkeiten „Lookalike“, „Möchtegern“, „Coverartist“, „Imitator“ und „Verkörperung“ Perrecy, dem bayerischen Morrissey-Imitator, eine ranghohe Sonderstellung.

Bei seinem zweiten Berliner Auftritt – der erste fand im März im White Trash statt – spielte Perrecy mit Band am Samstagabend in der Columbiahalle aus seinem ständig wachsenden Repertoire von derzeit rund zwanzig mit Ukulele interpretierten Hits. Seine Lieder heißen „Haarschneider auf Flamme“, „Velourskopf“, „Meine Freundin liegt im Koma“ oder „Noch kränklich“ und halten durchaus, was sie versprechen. Sie sind nämlich 1:1-Übersetzungen bekannterer Stücke der Smiths und Morrisseys („Hairdresser On Fire“, „Suedehead“, „Girlfriend In A Coma“, „Still ill“) in süddeutsche Mundart.

Die (Klein-)Kunst Perrecys, hart an der Grenze zum ethnologischen Kitschphänomen, setzt darauf neben den sprachlichen auch den musikalischen und geokulturellen Übersetzungsproblemen ironieoffenen Tribut zu zollen. „Panic on the streets of London / Panic on the streets of Birmingham / I wonder to myself“ wird zu „Panik in den Straßen von München / Panik in den Straßen von Ingolstadt / Ich wundere mich selbst“.

Dabei ist das Thema Morrissey und Ironie spätestens seit dessen 1992er in Union-Jack-Tuch gehülltem Auftritt ein heißes Eisen – in erzkonservativen Morrissey-Foren wird darüber diskutiert wird, ob Perrecy mit seinen Ukulele-Verniedlichungen Teufel oder Luftikus ist, während die internationale Fangemeinde des vornehmlich durch seinen MySpace-Auftritt bekannten Ingolstädter Musikers (die sich in Anlehnung an das umstrittene Morrissey-Stück „National Front Disco“ „Bavarian Front Disko“ nennt) gerade an Zugriffszahlen und dieser doppelten Ironie wächst.

Dass die „Bavarian Front Disko“ in der Columbiahalle kaum zugegen ist, lässt sich an der gegen null gehenden Anzahl sonst gesichteter Perrecy-Lookalikes ablesen, erklärt sich aber vor allem daraus, dass er an diesem Abend im Vorprogramm von Tomte auftritt.

Nach den Eröffnungsnummern „Panik“ und „Velourskopf“ scheint die Ratlosigkeit im jungen Publikum so groß, dass Perrecy das nächste Stück, „Der Erste der Jungs, der starb“, mit den Worten ankündigt, dies sei „für alle männlichen Zuhörer unter 26“. Da fühlt sich der halbe Saal angesprochen – vermutlich waren die meisten der Anwesenden im Jahr der Gründung der Smiths, 1982, noch ein frommer Wunsch auf der New-Wave-Tanzfläche ihrer Eltern.

Perrecy nimmt es gelassen und spielt, trotz beteiligter Ukulelen nicht klanguntypisch, an diesem Abend neun „seiner“ größten Erfolge. Etwa „Preußisch Blut, bayerisch Herz“ („Irish Blood, English Heart“). Kunstfertigkeit demonstriert noch einmal das letztes Stück, „Da ist ein Licht, das niemals erlischt“, das klarmacht, welche Rolle gedehnte Vokale für eine adäquate The-Smiths-Übertragung spielen: „Und wenn ein zweigeschoss’ger Bus fährt uns zwei zu Mus / zu sterben mit dir ist so ein himmlischer Exitus / und wenn ein Lkw tötet uns beide / zu sterben mit dir / welch eine Ehre und welch ein Pläsier.“ MARTIN CONRADS