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Archiv-Artikel

Kindergärten weggeknabbert?

Das Mammutressort von SPD-Senatorin Karin Röpke muss sich gegen manchen Zugriff wehren. Kitas zum Beispiel passen auch ins Bildungsressort. „Langfristig ja“, stimmen Politiker zu. Kurzfristig soll im Stadtteil die Zusammenarbeit erprobt werden

taz ■ Die künftige Bildungspolitik ist einer der Zankäpfel der Koalitionsverhandlungen. Und egal, wofür sich die Politiker am Ende entscheiden – es stehen die massivsten Änderungen in diesem Bereich an.

Immer wieder war in den vergangenen Monaten die Rede davon, dass die Kindergärten stärker an die Schulen angebunden sein sollten. Konkret würde das bedeuten, dass Bildungssenator Willi Lemke (SPD) in Zukunft auch schon für die ganz Kleinen zuständig wäre – und nicht mehr seine Parteifreundin Karin Röpke. Die hat aber just den Bereich der Kitas zu ihrem Schwerpunkt erklärt und Diskussionen über neue Zuständigkeiten eine klare Absage erteilt.

Ob es im Nachklang der Pisa-Diskussionen tatsächlich zu neuen Ressorts-Zuschnitten kommen wird, ist also noch unklar. Es bleiben freilich die fachlichen Argumente, die in etlichen anderen Bundesländern zur Zusammenlegung des Bildungs- und Erziehungsbereiches geführt haben. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel. „Der Neuzuschnitt des Ministerium war der Zusammenarbeit von Schulen und Kindergärten sehr förderlich“, sagt Wolf-Jürgen Karle, Sprecher des dortigen Bildungs- und Jugendressorts. So habe man in grenznahen Kindergärten begonnen, französisch zu unterrichten und diesen Unterricht bruchlos in der Grundschule fortgeführt. Außerdem könnten Weiterbildungen für GrundschullehrerInnen jetzt problemlos von den Erzieherinnen der Kitas wahrgenommen werden – und umgekehrt. Ein System, das auch die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Ulrike Hövelmann überzeugt: „Wir erarbeiten in Bremen zurzeit Lehrpläne für die Kindergärten und eine Zusammenlegung könnte für eine gute Abstimmung zwischen Kita und Grundschule sinnvoll sein.“

Neben solchen praktischen Vorteilen weist auch die Forschung in die gleiche Richtung. „Die strikte Trennung der Systeme in Deutschland ist Ausdruck davon, dass Erziehung als Familienangelegenheit begriffen wurde“, so die Bremer Soziologie-Professorin Karin Gottschall. Mit der Einrichtung von Ganztagsschulen, die nicht nur für Bildung zuständig sind, sondern auch einem Erziehungsauftrag gerecht werden müssen und mit dem inzwischen gesetzlich verankerten Bildungsauftrag der Kitas gebe es aber „langfristig keine Alternative zu einem neuen politischen Aufgabenzuschnitt“.

Das sieht auch Frank Pietrzok, jugenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, so – Betonung allerdings auf langfristig. Schließlich habe das Schulsystem die Erwartungen in seine Leistungsfähigkeit mit der Pisa-Studie eher gedämpft. Ergebnis: „Die Kindergärten wollen da nicht hin“. Auch zeuge es von einem „zu tiefen Vertrauen in die Schulbürokratie“, wolle man ihr jetzt auch die Verantwortung für die Erziehung und Bildung der Kleinsten anvertrauen. Er plädiert für ein „System von unten“. Auf Stadtteilkonferenzen solle in Zukunft systematisch die Kommunikation zwischen Bildung und Erziehung geprobt werden. „Denn wenn eine Schule ihr Essen in der Innenstadt bestellt, obwohl der Kindergarten nebenan Kapazitäten frei hat, dann hilft ein gemeinsamer Senator gar nichts.“

Elke Heyduck