herr tietz macht einen weiten einwurf
: Ferrari für alle

Fritz Tietz über Michael Schumacher und warum ab sofort alle Deutschen im Kreis herumfahren sollten

Da also liegt der Hund begraben bzw. das deutsche Sieger-Gen verschüttet. Unter einem Haufen Lahmarschigkeit, Faulheit und Kinderüberdruss – um nur mal drei der Untugenden zu nennen, die der Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher ganz bestimmt nicht im Herzen trägt. Seine Tugenden heißen Treue, Schnelligkeit, Härte, Freundlichkeit, Zuverlässigkeit, Fleiß, Pünktlichkeit, Disziplin, Kinderliebe, Fitness, Sparsamkeit, Ehrgeiz, Tapferkeit, Mut und Liebe zum Detail. Das hat die Bild-Zeitung recherchiert. „Ist Schumi der letzte Deutsche, der noch siegen kann?“, titelte das Blatt nach Schumachers drittem Grand-Prix-Sieg in Folge und fragte: „Was können wir Deutschen von Schumi lernen?“

Dazu listeten die Bild-Texter jene 15 „typisch deutschen“ Schumi-Tugenden auf, die, obwohl „wir doch alle das Sieger-Gen in uns tragen“, kein anderer so unverzagt beherzigt wie das Kerpener Kinnwunder. Kein Wunder also, dass Schumacher einen Sieg nach dem anderen einfährt, während wir Restdeutschen mit unseren „verschütteten“ Sieger-Genen reformdrüssig, wirtschaftsdepressiv und innovationsängstlich da hocken und entgeistert auf das Einzige starren, was hierzulande noch brennt: das Schlusslicht, das wir im internationalen Vergleich, so Bild, „immer öfter sind“. Höchste Zeit demnach, dass wir von Michael Schumacher lernen, wie siegen geht. Schlagen wir also seine Tugenden nicht länger in den Wind. Räumen wir unsere verschütteten Winner-Gene frei. Werden wir alle so wie Schumi.

In der Schweiz dürfte es dann allerdings eng werden, wie man, die Schumi-Tugend „Liebe zum Detail“ befolgend, leicht ausrechnen kann, wenn 80 Millionen deutsche Siegeswillige geschlossen dorthin übersiedeln, so wie es Schumacher längst und vorbildlich tat. Dies aber nicht aus Jux oder gar Dollerei, sondern einzig einer weiteren Sieger-Tugend wegen: der „Sparsamkeit“; denn wo, wenn nicht in der Steueroase Schweiz, lässt sich’s sparsamer leben? Die drangvolle Enge, die 80 Millionen zusätzliche Steuersparer dort erzeugen, wird mit den Schumi-Tugenden „Freundlichkeit“, „Disziplin“ und notfalls auch „Härte“ leicht zu meistern sein. Selbst dann noch, wenn sie durch die uns alle erfassende Schumi-Tugend „Kinderliebe“ noch drangvoller werden sollte. Zwei Kinder muss nämlich fortan jede deutsche Frau gebären, so wie das des Siegers Gattin vorgab. Mindestens.

Und schiebe keiner mehr vor, dass ihn finanzielle oder existenzielle Sorgen daran hindern, eine Familie zu gründen. Jegliche Furcht vor wirtschaftlicher Instabilität wird nämlich ersatzlos ausgeräumt sein, wenn wir erst alle die Schumi-Tugend „Treue“ beherzigen. „Nur jeder dritte Deutsche hält seiner Firma länger als 10 Jahre die Treue“, weiß und beklagt zu Recht Bild. Nicht so Schumi. Er dürfte auch deshalb der derzeit einzige deutsche Sieger sein, weil er seiner Firma so treu die Stange hält. Er sagt ohne Umschweife: „Ich will bei Ferrari alt werden.“ Genau so wollen es auch wir künftig halten und jegliche Jobangst ausmerzen, indem wir einfach unseren Arbeitgebern treu bleiben. Einfacher lassen sich Arbeitsplatzsicherheit und Vollbeschäftigung nicht erreichen. Auch das Argument „Keine Zeit“ darf keinen Deutschen mehr davon abhalten, fleißig, mutig und ehrgeizig wie ein Schumi zu sein. Denn dank seiner Sieger-Tugend „Schnelligkeit“ werden wir bald alle zu den rasantesten Autofahrern der Welt gehören und keine Tausendstel-Sekunde mehr unnötig vergeuden; das übrigens nicht nur im Straßen-, sondern auch beim Geschlechtsverkehr: Denn dass wir Schnellfahrer ebenso flott auch beim Beischlaf zur Sache kommen, ist schließlich wissenschaftlich erwiesen. Und wozu auch länger als notwendig rummachen, wenn doch „Pünktlichkeit“ ab sofort die Devise heißt. Außerdem schadet jede körperliche Ausschweifung nur der „Fitness“. Die wir aber dringend brauchen, da wir es doch Sieger-Schumi gleichtun wollen, nämlich möglichst schnell im Kreis herumkacheln und 550 Millionen jährlich dafür kassieren.

Das aber, bitte schön, nur in einem Auto, das die typisch deutsche Schumi-Tugend „Zuverlässigkeit“ aufweist. Also nur in einem Ferrari.