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Archiv-Artikel

Ein Wachstumsmarkt für Söldner

„Das hier ist Irak und du bist hier niemandem Rechenschaft schuldig“„Es ist furchtbar zu wissen, dass solche Leute für die Amerikaner im Irak arbeiten“

von KARIM EL-GAWHARY

Früher wurden sie schlicht Söldner genannt und kämpften in irgendwelchen entlegenen Buschkriegen. Rekrutiert wurde heimlich, am Rande der Legalität. Heute werben die käuflichen Krieger auf ihren Webseiten als „Globale Elite-Truppe“ oder „Berater für internationale strategische Sicherheit“, die „Risikomanagement“ oder „aggressive Sicherheit“ betreiben. International agierende private Sicherheitsfirmen haben einen riesigen Markt. Ob Personenbewachung, Objektschutz oder Konvoibegleitung – ein Jahr nach dem Sturz Saddams sind ihre Dienste ganz besonders im besetzten Irak gefragt. Die Bush-Regierung sucht verzweifelt nach Möglichkeiten, im US-Wahlkampf zumindest einen Teil der Boys nach Hause zu bringen, andere Länder zögern, ihre eigenen Soldaten ins Feuer der irakischen Guerilla zu schicken, manche, wie die Spanier, sprechen von Rückzug. Die Rekrutierung irakischer Polizisten läuft zögerlich. Dazu kommt, dass sich private Firmen und Hilfsorganisationen ihren eigenen Schutz organisieren müssen. Selbst bei der UNO können sich private Sicherheitsdienste jetzt an einer Ausschreibung beteiligen, um für den Schutz der Mitarbeiter der Weltorganisation zu sorgen, wenn sie sich denn wieder in die irakische Gefahrenzone begeben sollten.

Über ein Dutzend großer privater Sicherheitsfirmen „Private Military Contractors“, kurz PMCs genant, sind im Irak aktiv. Sie haben wiederum mit zahlreichen wenig bekannten Firmen Unterverträge abgeschlossen. Auf bis zu 20.000 wird die Zahl privater Sicherheitsberater, Bodyguards und sonstigen bewaffneten Schutz gewährenden Personals im Irak geschätzt. Damit wären private Sicherheitsdienste von der Mannstärke der zweitgrößte bewaffnete Verbündete der US-Besatzungsverwaltung, noch vor der britischen Armee. Männer der Firma Custer Battles wachen über den Internationalen Flughafen in Bagdad. Die südafrikanisch-britische Firma Erinys ist für den Schutz der Ölfelder und Pipelines zuständig und hat dafür einen 100-Millionen-Dollar-Vertrag erhalten, um eine 14.000 Mann starke irakische private Truppe zusammenzustellen. Das britische Unternehmen „Global Risk“ hat den Personenschutz der amerikanisch geführten Besatzungsbehörde übernommen. Ihr britischer Rivale „ArmorGroup“ wird vor allem von privaten US-Firmen wie Bechtel oder KBR zum Schutz ihrer Ingenieure angestellt, „DynCorp“ aus Nord Virginia trainiert die neue irakische Polizei. Die Grenzen zwischen Armee und Privaten werden dabei immer fließender. Als letztes Jahr in Falludscha ein US-Transporthubschrauber abgeschossen wurde, organisierte eine amerikanische Sicherheitsfirma die Sicherung des Gebietes und die Rettungsaktion.

Die Angestellten der Sicherheitsfirmen, kurzhaarige Herren mit obligatorischer Sonnenbrille, bevorzugen khakifarbene Fotografenwesten und treten militärisch auf, mitunter ihre Waffen offen zur Schau stellend. Nur das Namensschild an der Uniform, für Soldaten Pflicht, fehlt. In allradangetriebenen Fahrzeugen ohne Firmenkennzeichen rasen sie durch die Straßen. Gelegentlich trifft man sie an Hoteleingängen, wenn sie die Taschen durchsuchen.

Das Geschäft der PMCs läuft glänzend. Laut David Clardige, dem Direktor von „Janusian“, einer in London ansässigen PMC, haben britische Sicherheitsfirmen ihren Umsatz seit der Besetzung des Iraks von 320 Millionen Dollar auf 1,8 Milliarden verfünffacht. Hatten Firmen wie „Global Risk Strategies“ vor dem Afghanistankrieg gerade einmal zwei Mitarbeiter, arbeiten jetzt 1.000 Wächter für die Firma im Irak.

Nicht nur Privatfirmen, auch offizielle Entwicklungsprojekte müssen den Faktor private Sicherheit mit einkalkulieren. Das „Program Management Office“, das für die Verteilung des Haushalts der staatlichen US-Entwicklungshilfe im Irak zuständig ist, hat seine Kalkulation unlängst von 7 auf 10 Prozent pro Entwicklungsprojekt erhöht. Vertreter der US-Firma Blackwater, die auch für die persönliche Sicherheit des US-Besatzungsverwalters Paul Bremer zuständig ist, sagen, dass bei manchen Entwicklungsprojekten ein Viertel des Haushalts für PMCs ausgegeben wird. Auch der britische Steuerzahler wird zur Kasse gebeten. Das Ministerium für internationale Entwicklung in London hat bereits 45 Millionen Dollar für private Personenschützer, bewaffnete Eskorten und Sicherheitsberater ausgegeben.

Auch auf individueller Basis lohnt sich das Geschäft. Die britische Kommandotruppe SAS hat zahlreiche ihrer teuer ausgebildeten Soldaten an private Sicherheitsfirmen verloren. Mindestens 10.000 Dollar gelten für einen ehemaligen britischen Elitesoldaten bei den PMCs als Grundgehalt. Höhergestellte Sicherheitsberater werden mit 150.000 Dollar Jahresgehalt entlohnt. Je nach Nationalität geht das Gehalt nach unten. Ehemalige nepalesische Gurka-Elitesoldaten, wie die 700 von ArmorGroup angeheuerten, bekommen nur ein Zehntel des Gehalts ihrer weißen Kollegen. Ein von den PMCs unter Vertrag genommener Iraker verdient im Schnitt nur 150 Dollar im Monat. „Sie halten schließlich keinem Angriff ernsthaft stand“, bemerkt ein weißer britischer Sicherheitsmann. „Die Iraker sind nicht diszipliniert“, sagt er. „Wir schulen sie und die Woche darauf überlassen sie Allah ihr Schicksal, wenn kein Weißer sie im Auge behält.“ Für die Sicherheitsunternehmen bleibt genug Gewinn übrig. Ein vierköpfiges Team von ehemaligen SAS-Kommandosoldaten in Bagdad kostet den Auftraggeber immerhin 5.000 Dollar pro Tag.

Die Bezahlung richtet sich auch nach der Gefahrenlage. Besonders pikante Aufträge, wie Personen- oder Konvoischutz in der Guerilla-Hochburg Falludscha, werden mit bis zu 1.000 Dollar pro Person und Tag bezahlt. Da begeben sich die privaten Kämpfer schon einmal in eine Gegend, die von US-Soldaten gemieden wird, wie die vier amerikanischen Sicherheitsleute der in North Carolina ansässigen Firma Blackwater, die Anfang des Monats in Falludscha erschossen wurden. Die Bilder gingen um die Welt, als die Leichen anschließend von einem blutrünstigen Mob hinter Autos durch die Stadt geschleift, angezündet und zerstückelt wurden und ihre Überreste später an einer Euphratbrücke aufgehängt und zur Schau gestellt wurden. In den meisten Medien war vage von vier für ein privates Unternehmen arbeitenden Zivilisten die Rede, wenngleich die Firma Blackwater am gleichen Tag den Verlust von vier ihrer Mitarbeiter bestätigte.

Wie viele Opfer es unter den PMCs bisher gab, ist nicht bekannt. Sie tauchen nicht in der offiziellen Gefallenen-Statistik der Armee auf. Auch das aus der Sicht der US-Besatzungsbehörde ein Vorteil gegenüber ihren uniformierten Kollegen. Wenn aber PMCs in die Schlagzeilen kommen, erfährt man auch das eine oder andere Detail über manch anrüchigen persönlichen Hintergrund der Privatkrieger. Ein Bombenattentat auf das Shaheen-Hotel in Bagdad am 28. Januar galt offensichtlich der südafrikanischen-britischen PMC Erinys, die dort ihre Mitarbeiter untergebracht hatte. Dabei kam der weiße Südafrikaner Francois Strydom ums Leben. Strydom gehörte nach Berichten aus der südafrikanischen Presse früher Koevoet an, einer ehemals berüchtigten paramilitärischen Apartheid-Einheit, die bis 1980 auf brutalste Weise gegen die Unabhängigkeit des benachbarten Namibias kämpfte. Sein Kollege Deon Gouws, der bei dem Anschlag verletzt wurde, war einst Offizier in der Apartheid-Geheimpolizei Vlakplaas und ist in der südafrikanischen Wahrheitskommission wegen des Mordes an einem Oppositionsführer 1986 aktenkundig. „Es ist furchtbar zu wissen, dass solche Leute für die Amerikaner im Irak arbeiten“, klagt der ehemalige südafrikanische Verfassungsrichter Richard Goldstein. Südafrikas Presse spricht von ungefähr 150 ehemaligen Apartheid-Sicherheitsleuten im Irak. Letzen Monat wurde die Liste der Mitarbeiter von PMCs im Irak mit zweifelhaftem Hintergrund weiter verlängert. „Blackwater“ rekrutierte 60 einstige Offiziere der chilenischen Junta Augusto Pinochets und ließ sie in North Carolina fortbilden. „Wir grasen den letzten Winkel der Erde nach professionellen Mitarbeitern ab, und die ehemaligen chilenischen Kommandos sind sehr professionell“, rechtfertigt sich Blackwater-Chef Gary Johnson.

Übrigens werden Mitarbeiter der PMCs nicht nur in letzter Zeit häufiger zur Zielscheibe für die irakische Guerilla, sie schießen auch gelegentlich selbst. Unter Sicherheitsleuten im Irak wird die Geschichte eines privat gesicherten Geldtransports erzählt, der Ende letzten Jahres in der Nähe der Stadt Samarra angegriffen wurde. Die Söldner schossen wild um sich und töteten acht Menschen, darunter Frauen und andere zufällig am Ort des Geschehen vorbeikommende Zivilisten. Der US-Armee war die Geschichte offensichtlich so unangenehm, dass sie zur Ablenkung die Geschichte von einem lang andauernden Feuergefecht zwischen Armee und Guerilla lancierte, bei dem 58 der Angreifer von der US-Armee erschossen worden seien. Journalisten konnten anschließend aber im örtlichen Krankenhaus nur die acht erschossenen Zivilisten ausmachen.

Für die US-Besatzer besonders peinlich ist die Tatsache, dass es für PMCs offensichtlich im Irak keinerlei Regeln gibt. Ohne rechtliche Grundlage bauen sie Straßensperren auf, kontrollieren Ausweise, nehmen sogar Verhaftungen vor und machen von der Schusswaffe Gebrauch. „Das ist eine sehr delikate Sache“, sagt ein hochrangiger Besatzungsbeamter. „Welche Regeln für sie gelten? Sind sie Zivilisten oder Soldaten? Ich weiß nicht, was sie sind und wer sie sind, und ich versuche, sie zu meiden“, meint einer seiner Kollegen. Offiziell hat sich die Besatzungsverwaltung trotz mehrerer Anfragen bisher nicht zur rechtlichen Stellung der PMCs geäußert. Ein ehemaliges Mitglied der US-Special Forces, heute privat in Bagdad tätig, weiß: „Das hier ist Irak und du bist hier niemandem Rechenschaft schuldig.“