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Archiv-Artikel

Löten für die Zukunft

Warum immer gleich wegschmeißen? Frauen aus der JVA Pankow machen aus ausrangierten Computern wieder funktionierende Rechner

von SIMONE ROSSKAMP

Ein Computer, ist das nicht dieser langweilige graue Kasten? Die Häftlinge der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Pankow können sich etwas Schöneres auf dem Monitor vorstellen als schwarze Buchstaben auf weißem Grund. Bei ihnen schillern Fische hinter der Monitorglasscheibe, zappeln zwischen Festplatten und Silberdrähten: Ein Aquarium für Bits und Bytes.

Nein, dies ist keine Demonstration für die Inkompatibilität von Frauen und Technik, eher im Gegenteil. Vor allem wenn man sich genauer umsieht in den Räumen der Werkstatt im Pankower Gefängnis: Regale voll mit Tastaturen, auf den Tischen Lötkolben und feine Zangen, daneben die Rechner in alle Einzelteile montiert, nackt wie auf einem Operationstisch – ein Krankenhaus für Computer sozusagen.

In einer neuen Qualifizierungsmaßnahme möbeln die Gefangenen alte und zum Teil nicht mehr funktionsfähige Rechner wieder auf, die sie von großen Firmen zur Verfügung gestellt bekommen. „Neustart It“ heißt das Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem externen Kooperationspartner „Die Wille“ ins Leben gerufen wurde.

Für zwei junge Frauen, die am Projekt beteiligt sind und ihre Namen nicht nennen wollen, ist es ein Neustart im doppelten Sinne: „Vorher hatte ich richtige Angst vor Computern“, gesteht die eine von ihnen, „heute kenne ich alle Einzelteile, kann sie sogar selber verlöten.“ Und ihre Mitgefangene ergänzt: „Klar, ist es wichtig, in Sachen Computer auf dem Laufenden zu bleiben“, erzählt sie, die damals „draußen“ Bürokauffrau war. „Das hier ist aber mehr“, erläutert sie nicht ohne Stolz, „das Gefühl, etwas für die Gesellschaft geleistet zu haben, etwas, was einen richtigen Nutzen hat – trotz der widrigen Umstände.“

Diesen Nutzen konnten die Frauen nun selbst beobachten, schließlich nahm gestern der erste Kunde den blitzblank polierten PC entgegen, das Förderzentrum am Senefelder Platz. Schulleiterin Manuela Günzel freut sich über die neuen Rechner, die viel besser und schneller sind als die alten. Sieben Computer insgesamt gehen gegen einen geringen Betrag von der Haftanstalt an die Schule. „Ein Projekt, das unbedingt weitergeführt werden sollte“, lobt Günzel.

Auch der externe Projektleiter Aydogan Özatilgan freut sich über die gute Resonanz. Natürlich war es anfangs schwierig, gibt er zu, unter Haftbedingungen so etwas wie eine kleine IT-Firma aufzubauen. Die Frauen hätten sich schnell mit den Rechnern vertraut gemacht und seien teils verblüfft darüber, was sie innerhalb kürzester Zeit gelernt hätten. „Ich habe sie gebeten, alles Gelernte einmal aufzuschreiben“, erzählt er, „bei allen ist ein riesiger DIN-A 4-Zettel voller Notizen herausgekommen.“

Auch die beiden angehenden „IT-Fachfrauen“ haben inzwischen ein Geräusch lieben gelernt, das nämlich, wenn der Computer nach erfolgreicher Reparatur wieder hochbootet und das mit einem Fiepen anzeigt. Die Arbeit hat ihnen Lust gemacht auf mehr: „Vielleicht kann ich später in dem Bereich arbeiten“, freut sich die eine, schließlich kenne sie nun den Unterschied zwischen HDD und FDD. Eines steht jedenfalls für beide fest: „Wenn wir hier rauskommen, können wir mitreden.“