: Rot-Grün ungewiss
Koalitionskrise in NRW: SPD und Grüne verhandeln in diversen Arbeitsgruppen über die Maximalforderungen des Ministerpräsidenten
aus Köln PASCAL BEUCKER
Erste Entspannungssignale oder nur die Ruhe vor dem großen Sturm? Gestern wagte sich der nordrhein-westfälische SPD-Landesschef Harald Schartau in die Fraktionssitzung der grünen Landtagsfraktion. Nein, was sie in den letzten Tagen erlebt hätten, sei „kein Vorspiel für einen galanten Koalitionswechsel“, verkündete der NRW-Wirtschafts- und Arbeitsminister den verunsicherten Abgeordneten. Und er versprach: „Wir wollen in der Koalition eine Klärung finden.“
Notwendig sei allerdings eine „gemeinsame Konzentration auf politische Schwerpunkte“. Zudem müsse eine Verabredung darüber getroffen werden, „wie der zwischen uns klassisch immer ausbrechende Streit zu bestimmten politischen Punkten“ künftig diszipliniert geführt werden könne. Die Chancen einer Einigung sehe er bei „über 50 Prozent“. Der Besuch Schartaus war seit Wochen geplant, bekam jedoch durch die Turbulenzen der letzten Tage eine besondere Brisanz. Die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn zeigte sich danach hoffnungsfroh: „Ich habe den Eindruck, dass die SPD die Koalition fortführen will.“
Ob ihr Eindruck nicht täuscht, wird die Frontfrau der NRW-Grünen noch in dieser Woche überprüfen können. Bereits heute soll eine erste Arbeitsgruppe beider Parteien zusammenkommen, um über „Konflikte“, „Positivpunkte“ und „Verfahren“ zu beraten. Am Freitag trifft sich dann der Koalitionsausschuss.
Dabei könnte bereits eine erste Vorentscheidung fallen, ob die Koalition fortbesteht. Denn unter Leitung von SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück haben die Sozialdemokraten ein gut 16-seitiges Eckpunkte-Papier verfasst, das sie heute vorlegen wollen. Etwa zehn Einzelpunkte sollen laut Steinbrück ein „Leitbild NRW“ definieren und Politikbereiche festschreiben, die künftig in der Koalition unstrittig zu sein haben. Beispielsweise, so heißt es, dürfe der Umweltschutz keine Großprojekte mehr blockieren. Außerdem habe sich den Schwerpunkten Bildung, Arbeit und Mobilität alles andere unterzuordnen – vor allem Städtebau, Kultur, Landwirtschaft und Umweltschutz. Das sind also genau die Arbeitsfelder, für die die grünen Minister Michael Vesper und Bärbel Höhn zuständig sind. „Es geht um die Aufstellung für das Land“, sagte Steinbrück.
Der grüne Landeschef Frithjof Schmidt hatte gefordert, dass die SPD auf ihrem Landesparteitag in zwei Wochen klar sagen müsse, ob sie die Koalition fortsetzen wolle. Diese Idee wies Steinbrück schon am Montagabend nach der Sitzung des Präsidiums der NRW-SPD umgehend zurück: Er halte es „für sehr ratsam, dass weder der eine noch der andere Partner irgendein Ultimatum stellt“. Das erschwere nur die Diskussion. Gestern wurde der Ministerpräsident dann noch konkreter: Auf dem Parteitag am 14. Juni wolle er keine Koalitionsempfehlung geben, er lehnte „präjudizierende Festlegungen“ ab. Welche Chancen er Rot-Grün in Düsseldorf noch gibt? Steinbrück: „51,3578 Prozent ungefähr.“