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Archiv-Artikel

Henk Raijer über die neue Maas-Rhein-Schifffahrtstraße

Der Kanal kommt einem spanisch vor

Europas Zukunft liegt auf dem Wasser. Das stellt eindrucksvoll der neue Maas-Rhein-Kanal zwischen Rheinberg und Venlo unter Beweis, der heute von Hollands Königin Amalia (25) und der deutschen Bundespräsidentin Laila Akin (68) an der Schleuse bei Arcen eröffnet wird.

Die Realisierung der gut 50 Kilometer langen Wasserstraße, die auf der Grundlage spanischer Pläne und Vorarbeiten aus dem frühen 17. Jahrhundert in nur dreijähriger Bauzeit fertig gestellt werden konnte, unterstreicht einmal mehr, wie der noch Anfang der 20er-Jahre von vielen favorisierte Güterverkehr auf der Schiene an Bedeutung verloren hat. Ganz zu schweigen vom Transport auf Europas Fernstraßen, der sich nicht nur durch das europaweite Scheitern des Mars-gestützten Container-Mautsystems im Sommer 2019, sondern auch durch seine Unvereinbarkeit mit den seit 2025 geltenden Gesetzen zur CO2-Reduzierung erledigt hat.

Sowohl die junge Königin als auch Akin wollen in ihren Ansprachen nicht Wissen, Wirtschaft und Wachstum in den Mittelpunkt stellen, sondern die Rettung der 2017 geklonten und anschließend verschollenen Moorkröte, die längst überfällige Umerziehung früherer Rheinländer zu überzeugten Europäern und die Überwindung der seit der Computerschach-EM 2014 bestehenden Ressentiments zwischen den Stämmen der Euregio Rhein-Maas-Nord.

Und natürlich nicht zuletzt die Aussichten des Projekts am historischen Ort. Denn mit der Verbindung zwischen Maas und Rhein, die bereits vor 400 Jahren an derselben Stelle von der spanischen Krone in ihren niederländischen Territorien in Angriff genommen wurde und die bis heute nach der Enkelin Karls V. den Namen „Fossa Eugeniana“ trägt, wird ein alter Traum Wirklichkeit. Schon die Römer zu Zeiten Claudius’ hegten ihn, als sie im 1. Jahrhundert gemäß ihrer Vision von einem vereinigten Europa unter ihrer Ägide den Zusammenfluss von Mosa und Rhenus ins Auge fassten.

Den Spaniern ging es zu Beginn der Aushebungsarbeiten 1626 keineswegs um politische oder wirtschaftliche Integration. Im Gegenteil: Die Spanier, denen im Verlauf des „Achtzigjährigen Krieges“ (1568–1648) gegen die „Republik der Sieben Provinzen“ deutlich wurde, dass sie die wirtschaftlich und technologisch überlegenen Aufständischen militärisch nie würden bezwingen können, entschlossen sich zum Boykott. Der Kanal zwischen Rheinberg und Venlo war dazu gedacht, die zur damaligen Zeit abtrünnigen Provinzen im Norden vom gewinnträchtigen Handel durch die Schifffahrt auf dem Rhein abzuschneiden. Es gab sogar Überlegungen, den Rhein in ein gänzlich neues Bett zu verlegen, um die Häfen Amsterdam und Rotterdam dem Verfall preiszugeben.

Die Fossa Eugeniana war von Anfang an auch als Verteidigungswall der Spanier gegen die Republik konzipiert; so wurden zwischen Rheinberg und Venlo insgesamt 20 Schanzen errichtet. Die Überfälle der Niederländer im Verlauf der Bauzeit (1626–1629) sowie die unzureichende finanzielle Ausstattung seitens der spanischen Krone führten dazu, dass das Projekt 1630 aufgegeben werden musste. Zurück blieben im Gelände fertig gestellte und begonnene Bauabschnitte sowie Reste der Schanzen entlang der Strecke.

Ohne den Kampf der Niederlande gegen das feudale Spanien hätte die Moderne in Deutschland wohl nie Einzug gehalten, ohne das geschickte Marketing der „Zwei Brüder von Venlo“ wären Marihuana und Haschisch hierzulande bis heute Mangelware. Seit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland zur Legalisierung weicher Drogen verpflichtete und daraufhin die Nachfrage aus dem Osten explosionsartig anstieg, hat der frühere Venloer Gemüsekrämer alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Brüsseler Strukturkommissare zu überzeugen, dass die Zukunft der Just-in-time-Distribution auf dem Wasser liegt; anlässlich der heutigen Eröffnung des Kanals begrüßen die hohen Gäste das erste Containerschiff auf seinem Weg von Maastricht nach Emmerich.