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Archiv-Artikel

Kai Schöneberg über die Autobiografie des Altkanzlers

Wulff’s wild years

„Stoiber hatte ja damals schon quasi Alzheimer, mit Koch war kein Blumenpott zu gewinnen“, erläuterte Christian Wulff (Die Konservativen) gestern bei der Vorstellung seiner Biografie „Meine wilden Kanzlerjahre“ in der ausverkauften Stadthalle von Osnabrück die Umstände seiner Kandidatur vor sieben Jahren. Vor 3.000 Zuschauern im Publikum legte der 69-Jährige dabei Wert auf die Tatsache, dass er Helmut Kohl „zwar nicht an Amtsjahren, aber immerhin in der Körperfülle überrundet“ habe. Christian Wulff war nach vierjähriger Kanzlerzeit im Herbst 2026 in den Ruhestand gegangen.

Nach dem so genannten Gabriel-Putsch hatte Exkanzlerin Ute Voigt (Sozialisten) Neuwahlen ausrufen müssen, die Wulff im April 2022 mit 54,4 Prozent für die Konservativen, die früher noch als CDU firmierten, gewann. „Nie“ sei „es das Problem gewesen, die doofe Voigt umzunieten“, sagte Wulff. „Wohl aber, die eigenen Leute auszubooten“, meinte der Exregierungschef und lobte seine „prima Ostbeauftragte und Zonenprügelfrau“ Angela Merkel, die vor Voigt 12 Jahre lang Regierungschefin gewesen war. Die vielen Lacher in der Stadthalle waren dabei kaum zu überhören.

„Mit vereinten Kräften haben wir Ede verhindert“, sagte Wulff zu den Bestrebungen von Bayerns Exministerpräsident Edmund Stoiber, im Jahr 2022 nach 2002 (damals noch für die Union) ein zweites Mal als Kandidat der Konservativen anzutreten. „Er war viel zu tatterig – das hat dann auch der Rechtsflügel der Konservativen eingesehen“, meinte Wulff gestern. Stoiber habe ihn damals in der EU-Private-Talk-Sendung „Christiansen am Nachmittag“ mit der Exfamilienministerin Annette Schavan verwechselt. „Das war, Gott sei Dank, sein Ende“, sagte Wulff.

Dafür habe sich „der alte Grantler“ bei der Kandidatenfindung „bestens mit dem Hessen Koch zerfleischt“, sagte Wulff. Den ehemaligen Kontrahenten Roland Koch habe er „bestens mit einem Botschafterposten in Kabul abgefrühstückt“. Auch Exentwicklungshilfeminister Laurenz Meyer und Friedrich Merz als langjähriger Chef des UN-Wüstenkommissariats seien „keine schlechte Personalpolitik“ gewesen, schmunzelte der Exkanzler. Um dann unter schallendem Gelächter des Publikums „Guido Westerwelle als Unicef-Botschafter und Jürgen Rüttgers nach Bulgarien – erinnert sich überhaupt noch jemand an die beiden Gesellen?“ hinzuzufügen.

Exregierungssprecher und Altkanzler-Berater Olaf Glaeseker versuchte später, diese Aussagen gegenüber Journalisten abzumildern. Noch in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte Wulff als „Milchreisbubi“ und „ewiger Wahlverlierer“, später als „junger CDU-Wilder“ gegolten, bevor er 2003 Ministerpräsident in Niedersachsen wurde. „Niemand sollte mich für Berlin auf dem Zettel haben“, erklärte Wulff seine damals überraschende Kandidatur. „Ich habe einfach immer gesagt, nichts zieht mich an die Spree“, betonte Wulff. Dabei sei es ihm „seit Jahren in Hannover totlangweilig gewesen“.

Auch an selbstkritischen Tönen ließ es der Altkanzler nicht fehlen: „Vielleicht wäre es wegen der Straßenkämpfe gut gewesen, wenn die Sozen noch ein Weilchen durchgehalten und die 45-Stunden-Woche sowie die Rente ab 74 selbst durchgedrückt hätten“, sagte Wulff. Er bereue aber „keinen Tag“ seiner Regierungszeit. Auch „wenn ich es leider nicht geschafft habe, meine Heimatstadt Osnabrück zur Nord-Kapitale zu machen“.