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Archiv-Artikel

Mit dem Oscypek nach Europa

Erst muss ein Bürgermeister gehen, dann trübt sich das Verhältnis zum Nachbarn Slowakei. Alles nur wegen des Käses. Doch nun wollen die Bergbauern der Hohen Tatra in die EU

ZAKOPANE taz ■ Der Käsekrieg ist vorbei, die Freude groß. Zumindest auf der polnischen Seite der Tatra. Denn auch die Slowaken wollten ihren geräucherten Schafskäse als regionale Spezialität patentieren lassen. Doch die Polen gewannen den Wettlauf: Obwohl die Slowaken zwei Monate vor den Polen ihren Antrag eingereicht hatten, gilt der „Oscypek“ (sprich Osszipeck) demnächst nur noch als polnischer Bergkäse. Das polnische Patentamt war schneller. Ende April brach sogar Polens größte Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Jubel aus: „Mit dem Oscypek in die Europäische Union“.

Touristen aus dem Ausland beißen oft herzhaft in die goldgelb glänzenden und mit rustikalen Ornamenten verzierten Käsekegel – und erstarren jäh. Denn der wie ein süßes Gebäck aussehende Käse schmeckt nicht nur stark salzig, sondern auch nach der Holzkohle, über der er eine Woche lang geräuchert wird.

Drei Meter hoch ragte der Käselaib – eine Attrappe – die tausende Hirten, Senner und Touristen dann Mitte Mai in einem Triumphzug durch die südpolnischen Bergstadt Zakopane zogen. Es wurde eine machtvolle Bauerndemonstration für den EU-Beitritt des Landes. Das hatte Polen noch nicht erlebt: „Bauern für die EU“. Denn bis heute sind die meisten polnischen Bauern gegen den EU-Beitritt ihres Landes. Sie fürchten, die Verlierer des Beitritts zu werden.

Der oberste Käsewart der EU, der Franzose Patrick Dehaumonte, hatte beim Anblick der Holzfässer und des von Hand geformten Käses noch die Nase kraus gezogen. Den EU-Hygiene-Normen genüge die Produktion ja nicht gerade, mäkelte er. Die Holzwände in den Hütten sollten zwei Meter hoch gekachelt werden, die Senner selbst sollten weiße Schürzen, Hauben und Handschuhe tragen. Außerdem sei die Schafsmilch voller Bakterien und müsse vor der Weiterverarbeitung pasteurisiert werden. Die Holzfässer schließlich, in denen der Käse in einer Salzlake zieht, müssten aus leicht zu reinigendem Metall sein. Hoffnung auf eine EU-Anerkennung machte er den Polen nicht gerade. Die Goralen, wie die Bergbewohner der Tatra auch heißen, waren empört. Schließlich wird auch der französische Roquefort aus nicht pasteurisierter Milch produziert und hat trotzdem ein EU-Siegel.

Wütender als auf den Käsemann von der EU waren die Goralen aber noch auf den ehemaligen Bürgermeister Zakopanes Andrzej Bachleda-Curus. Der nämlich hatte still und heimlich ein Patent auf den Oscypek anmelden wollen – allerdings nur auf seinen eigenen Namen. Angeblich hatte er den Käse vor dem Zugriff der Slowaken „retten“ wollen. Die Bauernschläue kam ihn allerdings teuer zu stehen. Statt demnächst in der EU gute Geschäfte mit dem herbwürzigen Bergkäse der Tatra zu machen, wählten ihn die Zakopaner ab und sprechen kaum noch mit dem „Saukerl, dem hergelaufenen“.

Französischer Käsewart hin oder her, mit dem polnischen Patent ist der Weg zur Anerkennung des Oscypek als regionaler Spezialität in der EU frei. „Unser Oscypek wird das Symbol der Polen in der Europäischen Union sein“, freut sich schon der Gorale Andrzej Gasienica-Makowski. GABRIELE LESSER