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Archiv-Artikel

Adrienne Woltersdorf über die Bodenseenutzung

Freizeitsegler müssen draußen bleiben

Der Wind, ein freundlicher Ostler, schien mit von der Partie zu sein. Er ließ die Segel der rund 1.850 Segelboote bauchig auf Konstanz zublähen. Einer kämpferischen Armada gleich waren gestern Segler und internationale Wassersportler aus der gesamten Bodenseeregion vor der Konzilsstadt aufgelaufen. Denn dort tagten die Kommissionen des Verbundes lebendiger Seen, der Prager Ökologischen Kommission, des Instituts für Seenforschung, der Wassersportverbände und des Regionalbeauftragten Süd.

In einer letzten Verhandlungsrunde hatten die organisierten Wassersportler versucht, die Prager Ökologen davon abzubringen, den Bodensee für den Freizeitverkehr zu sperren. Doch der Protest drinnen im Konzilsgebäude und draußen auf der Konstanzer Bucht sowie auf den Straßen der Niederburg blieb erfolglos. Gestern am späten Abend verkündete Umweltkommissarin Nana Papadoupolos das Aus für die Freizeitkapitäne des Dreiländermeeres. Der Erfolg des Ökologie- und Ökonomieprogramms Bodensee (ÖKOP-B) „ist schicksalhaft verbunden mit einer konsequenten Politik des nachhaltigen Tourismus“.

Dazu gehört ab dem kommenden Jahr nicht nur die durchgängige Renaturierung der Bodensee-Uferzone, sondern auch ein durchgehendes Befahrungsverbot für Wasserfahrzeuge aller Art. Ausgenommen werden lediglich die vier Solarfährverbindungen zwischen den Anrainerstädten Konstanz, Meersburg, Friedrichshafen, Lindau und Bregenz.

Freizeitsportanlagen, Kleinhäfen und Bojenfelder werden rückgebaut. Diese Maßnahmen seien notwendig, so Papadoupolos, weil vielfältige limnologische Untersuchungen und Infrastruktur-Kontrollprogramme gezeigt hätten, dass die zunehmende Nutzung des Sees die ökologische Konservierung unmöglich machten. „Das größte Trinkwasserreservoir Süddeutschlands wird zunehmend gefährdet durch eine touristische Übernutzung“, erklärte Papadoupolos. Tatsächlich verzeichnete die Prager Kommission eine in den letzten Jahren rasant steigende Zahl von Besuchern aus Wasserentnehmerregionen mit Seen- und Flussschwund.

„Wir fordern die exklusive Seeverwaltung durch uns Anrainer“, sagte Gregor Hangarter, einer der vor dem Konzil Demonstrierenden und stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Bodensee-Wassersportvereinigungen. „Anders als die gefälschten Daten der Kommission haben unsere Untersuchungen gezeigt, dass sich mit der Verlegung der Freizeitboote auf Tiefwasserbojenfelder die Flachwasserzone völlig erholt hat. Eine Sedimentabschwemmung und ökologische Gefährdung ist Quatsch!“ Hier werde Interessenpolitik der übelsten Art betrieben, pflichtete ihm ein Schnellbootreeder bei, der ungenannt bleiben wollte. Vielmehr gehe es den Prager Politikern darum, die Bodenseeregion „kaputtzuökologisieren“, während „die Herren und Damen in Prag den Gewässerlobbyisten des griechischen Nestos-Flusses Carte blanche erteilen“. Die Familie Papadoupolos „ist Mehrheitseigener einer griechischen Entwicklungs-AG, die weite Teile des Nestos-Gebietes unter Vertrag hat“, ruft eine junge Surferin im Neoprenanzug. Sie will aus Protest die nächsten Wochen mit rund 140 gleich gesinnten Segelsurfenden den Rhein hinuntersurfen. „Wir werden uns neue Wassersportmöglichkeiten suchen, die Rheinschifffahrt legen wir so lange lahm, bis Prag uns ein Angebot macht.“

„Wir sind gescheitert“, erklärte gestern knapp der Regionalbeauftragte Süd, Christof Heymann (Die Konservativen). Heymann hatte in den vorangegangenen Verhandlungsrunden für sein Konzept „Arbeitsplatz Bodensee 2040“ keine ausreichende Zustimmung finden können. Darin sah Heymann, unterstützt von den schweizerischen Kantonalräten aus Thurgau und St. Gallen, vor, die von Arbeitslosigkeit bedrohte Bodenseeregion zu einer internationalen Wellnessregion mit Schwerpunkt hochpreisigen Seniorenwassersportes zu machen. Noch am Abend hatte die Berner Regierung angekündigt, gegen den EU-Kommissionsbeschluss ein Veto einlegen zu wollen.