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Archiv-Artikel

Barbara Dribbusch über geistreiche Eskorter

Call a talkboy

Es gehört zum Repertoire jedes gehobenen Callboys: das längere Gespräch mit der Kundin „davor“, im Restaurant bei gutem Essen und Wein, wenn der Eskorter geistiges Niveau zeigen muss. Schon länger klagt der Deutsche Eskorter-Verband (DEV) dabei über eine Besorgnis erregende Entwicklung: „Die intellektuellen Ansprüche unserer Kundinnen sind deutlich gestiegen“, so DEV-Sprecher Ritchie Meyer. Die Eröffnung einer neuen Bildungsstätte in Hamburg soll den Callboys jetzt aus ihrer Misere helfen.

In der DEV-Akademie können Eskorter jeweils zweitägige Wochenendseminare buchen, in denen sie über Trends in Psychologie, Politik und Wirtschaft aufgeklärt werden. Ziel der Kurse sei aber nicht nur „bloße Ansammlung von Wissen“, so Meyer, sondern „die Fähigkeit, Wissen so anzubringen, dass die Begegnung lebendiger und persönlicher wirkt“.

Die Themen reichen von „Psychoritualen für die Lebensmitte“ über „Geldanlagen für Frauen“ bis zu „Beeindrucken mit Luhmann“. Ein vorgeschalteter Grundkurs in „Gesprächsführung“ soll den Eskortern helfen, die Bedürfnisse der Frauen schnell zu erkennen.

„Manche Frauen wollen vor allem einen praktischen Rat, etwa zur Wohnungsrenovierung“, erzählt Meyer, der selbst lange als Eskorter tätig war. „Andere hingegen sehnen sich nach einem Gegenüber, mit dem sie über Hedge-Fonds oder die Romane des Marquis de Sade plaudern können. Der Eskorter muss flexibel sein, ohne oberflächlich zu wirken.“

Die Erotik des Mannes vermittle sich gerade für Kundinnen aus gehobenen Schichten nicht zuletzt über dessen Bildungsstand, glaubt Meyer. „Ein Muskelkörper reicht nicht.“ Erst ein niveauvolles Gespräch über ein gesellschaftliches Thema vermittle den Frauen das Gefühl, einen gleichwertigen Partner vor sich zu haben. „Das nimmt die Hemmungen, mit dem Eskorter dann auch ins Bett zu gehen.“ Nach wie vor erschwerten moralische Bedenken der Frauen und die Angst, Sex mit einem Mann „unter Niveau“ zu haben, das Geschäft der Callboys.

Dabei habe der Markt für Eskorter noch Wachstumspotenzial, glaubt Meyer. „Die Zahl der weiblichen Singles steigt, viele davon sind gut verdienende Akademikerinnen.“ Gute Eskorter haben oft Stammkundinnen, „daher ist es wichtig, dass auch der intellektuelle Austausch klappt“, erklärt Meyer. Der Verbandschef plant jetzt eine Werbeoffensive unter dem Titel „Mehr Esprit für Eskorter“, um in der Callboybranche, aber auch unter den Kundinnen ein Bewusstsein für die Problematik zu wecken.