: Dietmar Bartz über den Fischteich Ostsee
Dieses Geld stinkt
Schon zum zweiten Mal in diesem Frühjahr will uns der Ernährungsriese Baltic Spawn (BS) beruhigen. Den Verbrauchern teilt er mit, dass eine Gesundheitsgefährdung durch den erneuten Ausbruch der Lachsseuche FTH diesmal ebenso wenig bestehe wie im Februar. Den BS-Aktionären vermittelt er, dass die Rentabilität seiner Ostseefarmen nicht mehr bedroht sei, seit deren Pflichtselbstbeteiligung bei Seuchenschäden aufgehoben wurde. Und auf die Klagen der Südanrainer des Mittelmeeres, denen die Zukäufe der Baltic Spawn die Fische verteuern, entgegnet die BS, dass eigentlich die Nachfrage der Chinesen schuld an den hohen Preisen sei.
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Niemand behauptet, dass es kranke BS-Lachse durch die Qualitätskontrolle schaffen würden. Natürlich stellte die Änderung des Versicherungsrechts eine Gefälligkeit des EU-Parlaments dar. Und dass in erster Linie China aus dem Mittelmeerfisch eine knappe Ware gemacht hat, ist ebenso richtig – wobei die Mai-Notierungen für Lachsäquivalente nur deswegen nicht explodiert sind, weil die Lagerbestände der spanischen Spekulanten zufällig zur Deckung der Nachfrage ausgereicht haben.
Dennoch – solange der „neue Fischteich“ Ostsee keine stabilen Erträge garantieren kann, stehen auch die ökologischen Erfolge in Frage, mit denen die BS die ökonomischen Fragwürdigkeiten ihres Monsterprojekts überspielt. Von der Versicherungsregelung gegen abstürzende Aktienkurse und den Ausgleichslagern gegen hochschießende Terminkontrakte war 2028 noch keine Rede. Zudem ist ein Ende der FTH-Ausbrüche nicht in Sicht, auch wenn die Bakteriologen von BS immer wieder den Durchbruch ankündigen. Innerhalb von drei Jahren ist es ihnen nicht gelungen, die versprochene ökologische Selbstregulierung in den Farmzonen herzustellen, noch können sie nicht sicher sein, ob das Containment gegen den FTH-Erreger diesmal besser gelingt als im Februar. Eine neue Volksabstimmung über das Vorzeigeprojekt der „Eins-zu-neun-Lösungen“ würde anders ausgehen, wäre schon damals klar gewesen, dass zehn Prozent der Ostsee unter permanenter Seuchensperre stehen und Quarantänebarrieren die anderen 90 Prozent durchziehen.
Garantiert die Baltic Spawn keine stabilen Erträge, steht auch ihr ökologischer Erfolg in Frage
Das einzige Versprechen, das die BS bisher gehalten hat, ist die Umweltneutralität ihrer Farmen – dabei kann sie nur von Glück reden, dass FTH nicht auf Wildlachs überspringt. Hingegen kann sich die BS die erstaunliche Regenerationsfähigkeit der Ostsee nach dem Fischfangverbot vor zehn Jahren nicht ernsthaft zugute halten.
Der durch die ökologische Erholung ausgelöste baltische Hochsee- und Küstentourismus indes hat seine anfänglich überschäumende Dynamik verloren und dümpelt unterhalb der angekündigten Wachstumsraten dahin. Wenn die BS betont, in der Summe den Prognosen noch voraus zu sein, lässt sich nur entgegnen: Im Ergebnis richtig, im Rechenweg falsch. Das Gleiche gilt für die alte Fischindustrie. Entgegen den BS-Kalkulationen mit ihrem Arbeitskräftebedarf wäre die Arbeitslosigkeit gestiegen, hätten nicht viele Schiffseigner ihre Trawler wegen des Tourismusbooms behalten. Zudem sei die ewige Pipeline-Diskussion erwähnt – die Verlagerung der russischen Chemieexporte nach Murmansk hat die EU bezahlt, nicht die BS. Dass die Planungen für das Adria-Projekt ungebremst weitergegen, ist derzeit eher beunruhigend. Denn solange die BS ihren Kampf gegen die Ostsee-FTH nicht gewonnen hat, ist es für eine Gesamtbilanz der „baltischen Verfarmung“ noch zu früh. Und wenn sie ihn verliert, steht das Ergebnis des größten europäischen Eins-zu-neun-Projekts fest.