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Archiv-Artikel

Mehr Luxus und mehr Liebe

Das Fahrrad der Zukunft wird noch technischer, aber auch noch bequemer sein. So richtig was zum Lümmeln, prophezeit Paul Hollants. Räder dieser Art produziert er heute schon. Aber alles kann noch besser werden, vor allem das Gesamtkonzept Velo

INTERVIEW HELMUT DACHALE

taz: Automatikschaltung, Federungselemente, GPS-Computer – für die einen ist’s Komfort, für die anderen unsinnige Technisierung, die das Fahrradfahren so langsam zum komplizierten Vorgang macht. Wird man in 25 Jahren das technische Handbuch studieren müssen, bevor man losfahren kann?

Paul Hollants: Radfahren ist wunderbar einfach – draufsetzen, losfahren, lächeln. Das wird erst recht in 25 Jahren gelten, wenn die guten Hersteller endlich die modernen Erkenntnisse der Ergonomie umgesetzt haben. Das Fahrrad der Zukunft hat Bremsen, die nicht blockieren, aber mit wenig Kraft auch von kleinen Händen zu bedienen sind. Eine Gangschaltung, die intuitiv, eben ohne vorheriges Mechanikstudium, zu bedienen ist und beim Losfahren an der Ampel schon im leichten Gang steht. Stabile Laufräder mit Reifen, die keine Platten mehr bekommen und nur noch zum Frühlingsanfang nachgepumpt werden müssen. Dabei beurteilen wir solche Fahrräder nicht nur nach den Details. Oder wissen Sie, von wem in Ihrem Auto die Schaltung stammt? Wichtiger ist, dass alles zusammen stimmig ist, wichtiger ist das Gesamtkonzept.

Auf all diese menschenfreundlichen Komponenten, auf Ergonomie und Gesamtkonzept müssen wir heute noch verzichten?

Nein, vieles ist schon da. Einfach mal eine Probefahrt auf einem der neuen Radtypen wagen. Dann lässt sich entdecken, was heute alles schon so im Fahrrad stecken kann. Auch eine Lichtanlage, die sich von alleine in der Dämmerung einschaltet, ohne Batterien direkt vom Nabendynamo versorgt.

Scheint ja doch alles auf ein Hightechprodukt hinauszulaufen. Und das darf dann reparaturanfällig und ziemlich teuer sein?

Ein Qualitätsfahrrad kann nie den Preis haben, zu dem die Selbstbausätze aus dem Baumarkt angeboten werden. Aber wenn etwas reparaturanfällig ist, dann sind’s die. In Zukunft wird deshalb dieser Schrott verboten sein – aus Sicherheitsgründen und zum Vorteil des Fahrradladens um die Ecke. Bei dem bekommen Sie zur Jahresinspektion ein schickes Ersatzrad und dazu einen Cappuccino serviert. Und in 25 Jahren wird die Werkstatt auch Ihren Bordcomputer programmieren. Damit Sie dahin finden, wo Sie noch nie waren – und das auch noch über fahrradfreundliche Wege.

Hört sich an, als ob gar nichts mehr bleibt, wie es ist. Auch nicht der Rahmen in Diamantform, der mit der „Stange“? Bis vor kurzem hieß es noch: eine geniale Konstruktion, einfach unverbesserlich.

Ein Diamant bleibt unvergänglich. Aufgebaut aus stabilen Dreiecken ist der Diamantrahmen die leichteste und bewährte Bauweise fürs konventionelle Rad. Aber natürlich könnten Sie auch noch ein bisschen mehr erwarten. Eine Rahmenfederung etwa, die schlechte Radwege glatt bügelt. Oder einen tiefen Durchstieg, damit Sie ohne Turnübungen auf Sattel oder Sitz Platz nehmen können. Hier spielen großvolumige Einrohrrahmen ihre Vorteile aus oder auch geschwungene Kunststoffschalenrahmen. Was weiterhin bleiben wird: der gute alte Kettenantrieb. Ob ovale Kettenblätter, Kardanwellen oder Zahnriemen, solche Erfindungen sind schon in den letzten 25 Jahren immer wieder aufgetaucht und in der Versenkung verschwunden. Ich persönlich plane in dieser Kategorie den schaltbaren, im Rahmen versteckten Hydraulikantrieb – bei unseren Liegerädern entfällt damit die Frage nach dem Zweck der langen Kette. Übrigens auch auf unserer Positivliste: Luftreifen, Drahtkörbe und Fahrradhupen.

Liegeräder also. Ein Typus, der immer noch recht selten auf deutschen Straßen zu sehen ist, um es mal zurückhaltend auszudrücken. Das soll bald anders sein?

Da fragen Sie den Richtigen. Wir haben uns mit unseren Liegeradmodellen in den letzten zehn Jahren vor allem auf die anspruchsvollen Reiseradler konzentriert. Aus guten Gründen: Auch auf langen Touren gibt’s keine Druckstellen, hat man, entspannt zurückgelehnt, die ganze Landschaft im Blick. Und was weniger bekannt ist: An einem Reiseliegerad kann man viel einfacher Gepäck und eine gute Federung unterbringen. Alles Fakten, die das Liegerad in den nächsten Jahren aus der Nische herausbringen werden.

Wenn es nur nicht so schwierig zu fahren wäre!

Was soll denn daran schwierig sein? Klar, in 25 Jahren werden nicht alle Liegerad fahren. Aber wir werden uns dann in einer schönen, bunten Fahrradwelt bewegen, in der neben Transport-, Kinder- und Rennliegern auch praktische Sesselräder unterwegs sind. Gerade bei diesen nächsten Verwandten des Liegerads sehe ich ein großes Potenzial: Man sitzt relativ aufrecht, kann sich jedoch bequem zurücklehnen und die Füße locker auf den Boden stellen. Das sind Positionen, die nun mal gesünder sind als das Balancieren auf schmalem Sattel. In der Liegeposition ist der Bandscheibendruck erheblich geringer, das aktive Sitzen stärkt die Rückenmuskulatur. Und auch Urologen raten: Liegeradler lieben länger. Prima Zukunftsaussichten, oder?