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Archiv-Artikel

Eberhard Seidel trifft die Mohammeds Fadi und Fatma

„Wir machen unsere eigenen Gesetze“

Fadi (18) und Fatma (19) aus Berlin sind Mitglieder der Mohammeds, die sich selbst als die Jugendbewegung Allahs bezeichnen. Die Anhängerschaft dieser Jugendsubkultur wird allein in Deutschland auf bis zu 100.000 geschätzt. Europaweit sind es wohl mehr als eine halbe Million. Mit ihrem Outfit orientieren sich die Mohammeds an der Kleidung der afghanischen Taliban zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Mehrheit von ihnen ist zwischen 15 und 25 Jahre alt

TAZ: Weshalb schließen sich Jugendliche in Gruppen wie den Mohammeds zusammen?

FADI: Damit der Einzelne überhaupt existieren kann. Nicht als Gruppe, sondern als Mensch. Menschen können nicht damit leben, dass sie jeden Tag diskriminiert werden und wie Tiere behandelt werden.

Haben Sie selbst schon Diskriminierung erlebt?

FATMA: Ich erlebe sie täglich. Immer wieder werde ich als Moslemfotze oder Ähnliches beschimpft. In der U-Bahn, auf der Straße. Und wenn ich mit meiner Burka zu einem Bewerbungsgespräch auftauche, heißt es: Der Job ist leider schon vergeben. Und das ist mir nicht erst einmal passiert.

FADI: Mein Großvater kam vor über fünfzig Jahren während des Libanonkrieges nach Deutschland. Seitdem sind wir für die Deutschen der letzte Dreck. Kameltreiber! Menschen dritter Klasse! Mein Großvater war arbeitslos, mein Vater hat in 35 Jahren gerade mal fünf Jahre legal gearbeitet, für mich sieht es nicht besser aus. Wenn ich mit meinem Kaftan außerhalb von Kreuzberg durch die Straßen laufe, bin ich Freiwild für die Polizei. Noch irgendwelche Nachfragen?

Ihr könntet euch an das Büro gegen religiöse Diskriminierung wenden.

FADI: Vergiss es! Da sitzen nur christliche Fundis und Verräter, die sich Muslime nennen. Die sind eine Beleidigung für unsere Religion.

Was wollen die Mohammeds?

FADI: Unsere Botschaft lautet: Frieden. Wir haben uns nach dem Propheten Mohammed benannt, weil wir Respekt und ein würdevolles Leben wollen.

Friedlich ging es letzte Woche aber nicht gerade zu. Mitglieder der Mohammeds haben in Berlin auf dem Kurfürstendamm und in der Friedrichstraße randaliert, Geschäfte niedergebrannt, zwei Polizisten getötet und in Zehlendorf einen Brandanschlag auf eine Kirche verübt. Auch in Köln, Frankfurt, Paris und Rotterdam haben sie zugeschlagen.

FATMA: Normalerweise respektieren wir Kirchen. Die Kirche war aber keine normale, sondern ist ein Treffpunkt der Kameradschaft „Ritter des Kreuzes“, die Anschläge auf Einrichtungen der Mohammeds verübt, ohne dass die Polizei etwas unternimmt. Also haben wir die Sache selbst geregelt.

FADI: Die Sache mit den beiden Polizisten war ein bedauerlicher Unfall, aber die Plünderungen sind gerecht und werden weitergehen. In den muslimischen Wohngebieten beträgt die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen über siebzig Prozent. Der Gesellschaft ist das scheißegal, also müssen wir uns nehmen, was uns zusteht.

Die Lebensmittelzuteilungen für die öffentlichen Suppenküchen wurden nach den schweren Ausschreitungen während des Opferfestes vor zwei Jahren erhöht, ebenso die Zuwendungen an die großen Moscheevereine, damit die ihren karitativen Aufgaben nachkommen können.

FADI: (lacht) Stimmt, offensichtlich versteht die Regierung nur die Sprache der Gewalt. Aber mit diesen Almosen werden wir uns nicht mehr zufrieden geben.

FATMA: Es wurden ja auch nur Geschäfte zerstört, die die Würde der Frau verletzen, US-amerikanische Waren verkaufen oder pornografische Anzeigen schalten.

Und was die Würde verletzt, das entscheiden Sie?

FADI: Da halten wir uns an den Koran.

Über die USA steht da aber nichts geschrieben.

FATMA: Nein. Aber die christlich-jüdische Regierung der USA verfolgt das Ziel, den Islam weltweit zu zerstören. Vor dreißig, vierzig Jahren war der Islam noch eine Macht. Und jetzt? Der Iran schimpft sich jetzt eine säkulare Demokratie, im Irak stolperst du von einem McDonald’s in den anderen, und in der Freihandelszone Tripolis in Libyen sieht es aus wie in Las Vegas – Spielhallen und Puffs, wo du nur hinschaust. Gegen diese unislamische Dekadenz richten wir unseren Protest.

Den Menschen dort scheint aber dieses dekadente Leben zu gefallen. Der Lebensstandard steigt, die Wirtschaft boomt seit fünfzehn Jahren.

FADI: Wenn die arabischen Regierungen die islamischen Werte verraten und ihre Länder an die Ungläubigen verkaufen, dann müssen wir eben in Europa für den wahren Islam kämpfen.

Sie tun gerade so, als wären die Muslime in Deutschland rechtlos. Seit 2010 gibt es in ganz Deutschland islamischen Religionsunterricht. Es gibt 85 muslimische Altersheime, 73 muslimische Krankenhäuser, 2 muslimische Wohlfahrtsverbände. Seit 2024 ist für Muslime in begründeten Ausnahmefällen sogar die Mehrehe erlaubt.

FADI: Sollen wir dafür dankbar sein? Das sind für uns Selbstverständlichkeiten. Wir muslimischen Jugendlichen sind schließlich die Zukunft. In Städten wie Berlin, Köln und Frankfurt sind wir jetzt schon die Mehrheit. 2050 werden wir das in ganz Deutschland sein, ähnlich sieht es in Frankreich aus. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als ein Scharia-gerechtes Leben führen – und zwar hier in Deutschland, in Europa, in unserem Land.

Dagegen sprechen unsere säkulare Rechtsordnung und unsere Tradition.

FATMA: Wenn sich die Werte der Bevölkerung ändern, müssen sich die Gesetze anpassen und nicht umgekehrt. Muslime lehnen zum Beispiel Homosexualität ab, wie übrigens der Vatikan auch. Wenn wir in unseren Wohnvierteln die Schließung von Schwulenkneipen, das Verbot des Verkaufs von Alkohol und die Schließung von Diskotheken und Kinos fordern und nichts passiert, dann darf man sich nicht wundern, wenn so ein Laden mal in die Luft fliegt. Das ist dann kein krimineller Akt, wie es in den Medien heißt, sondern ein Denkanstoß für mehr Demokratie.

Die Mehrheit der Muslime verurteilt die Politik und die Aktionen der Mohammeds ziemlich deutlich. Selbst der konservative Zentralrat der Muslime, der in der Wertekommission der EU sitzt, hat kürzlich ein klares Bekenntnis zur säkularen Rechtsordnung Europas abgegeben und sich zum Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch für Muslime bekannt.

FADI: Das sind Verräter am wahren Glauben und Lakaien dieser gottlosen Regierung. Ich könnte die Regierung trotzdem akzeptieren, wenn sie unsere Werte respektieren würde. Aber ich kann und werde niemals eine Regierung akzeptieren, die generell gegen mich ist. Dann hole ich halt meine eigenen Leute und versuche, meine eigenen Regeln, meine eigenen Gesetze zu machen.