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Archiv-Artikel

Beispielhaft, doch ohne Unterstützung

Das Modellprojekt „Hippy“ unterstützt Migrantenfamilien in vorschulischer Erziehung. Alle finden das toll. Doch eine dauerhafte Finanzierung fehlt

„Viele Mütter sehen in uns ihre oft einzige Ansprechpartnerin“

VON MARTIN KAUL

Gut, dass wir mal drüber geredet haben. Über Pisa und vorschulische Erziehung. Über die Notwendigkeit von Lernangeboten für Kleinkinder. Über stärkere Einbeziehung von Familien in Lernprozesse. Über Integration und sprachliche Förderung von Migrantenkindern im Vorschulalter. Erst wenn es um Geld geht, werden die Stimmen leiser. Da kann das Projekt noch so gut sein. Klatschen tun selbstverständlich trotzdem alle.

„Hippy“ (Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters) ist so ein Projekt, das Günter Piening, Berlins Beauftragter für Integration und Migration, mit feinen Vokabeln wie „zukunftsweisend“ und „vorbildlich“ zu würdigen weiß. Alle Beteiligten schließen sich an. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Trägerin, die beteiligten Hauslehrerinnen sowie teilnehmende Eltern und Kinder sind begeistert.

Dennoch ist fraglich, wie das Projekt ab September dieses Jahres finanziert wird. Denn obwohl das Projekt seit 1998 erfolgreich läuft, bereits 1.021 Familien betreuen konnte und das Interesse so groß ist, dass Interessierte sich erst mit einem Platz auf der Warteliste begnügen müssen, stehen Mittel aus dem Topf des Bildungssenators sowie von den Bezirken noch immer nicht zur Verfügung. Stattdessen wird das Projekt größtenteils als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme finanziert. Als solche ist die Zukunft von Hippy wie die vieler anderer Projekte auch ungewiss. Lediglich etwa 50.000 Euro jährlich stammen aus dem Topf des Migrationsbeauftragtem Piening. Immerhin.

Der sieht in der Maßnahme ein solches Potenzial, „dass sie einfach nicht sterben darf“. Hippy, so Piening, habe sich in den Berliner Innenstadtbezirken zu einem zentralen Baustein niedrigschwelliger Erziehungsberatung entwickelt, das seine Klientel wirklich erreiche.

Diese Klientel ist die, von der Bildungspolitiker, die den Pisa-Bericht gelesen haben, ungehemmt schwadronieren: die Familie mit Kindern im Vorschulalter. Hippy setzt vor allem in türkischen Familien an, in denen Sprachprobleme das größte Hindernis sind.

„Ich konnte vorher einfach mit niemandem über Erziehungsfragen reden“, sagt Huriye Ayhan, die mit ihrem fünfjährigen Sohn nun seit anderthalb Jahren an dem Programm teilnimmt – für eine Eigenbeteiligung von zehn Euro im Monat. Ihren Sohn, aber auch sie persönlich bringe der regelmäßige Kontakt mit der Hauslehrerin deutlich weiter. Zehn solcher Hauslehrerinnen betreuen derzeit etwa 130 Familien in Kreuzberg, Neukölln und Wedding. Wöchentlich eine Stunde besuchen die ebenfalls meist türkischstämmigen und deutschsprachigen Hauslehrerinnen die Eltern zu Hause und erklären ihnen das Wochenprogramm, das diese wiederum in täglicher Übung gemeinsam mit den Kindern spielerisch erarbeiten.

Ein Konzept, das neben der Stärkung kognitiver Fähigkeiten der Kinder viele positive Nebeneffekte hat: So redeten Eltern und Kinder überhaupt wieder mehr miteinander, die Erziehungsverantwortung werde in vielen Familien neu thematisiert und die Verbesserung der Deutschkenntnisse greife sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern, sagt Projektleiterin Barbara Foerster. Hauslehrerin Ranyah Abdallah ergänzt: „Viele Mütter, bei denen es häufig kulturelle Unsicherheiten gibt, sehen in uns ihre oft einzige Ansprechpartnerin. Für sie ist unser Besuch in vielen sozialen Bereichen eine große Hilfe.“

„Würdigen“, so die Sprecherin von Bildungssenator Klaus Böger (SPD), Anne Rühle, würde die Senatsverwaltung solche Projekte „ausdrücklich“. Aus dem Topf des Bildungssenators werde allerdings keine Unterstützung zu erwarten sein. Es gebe eine Fülle anderer Konzepte wie vorschulische Sprachkurse und ab dem Schuljahr 2005 Pflichtsprachkurse für angehende SchülerInnen, deren Deutschkenntnisse unzureichend seien. „Denn Ziel ist es auch, dass Migranten sich nicht in ihrer Wohnung verschanzen“, so Rühle.

Zwar ist die AWO zuversichtlich, dass die Bezirke sich demnächst auch finanziell an der Durchführung beteiligen werden. Von der Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS), aus deren Stadtteil die meisten Familien kommen, die an dem Projekt teilnehmen, war gestern allerdings nichts Konkretes zu erfahren. Stattdessen: „Ich glaube, dass wir in der Sprachförderung Schwerpunkte auf die erfolgreichen Projekte legen müssen.“ Und natürlich: „Hippy ist ein beispielhaftes Projekt für aufsuchende Spracherziehung.“ Danke.