Gegen Anschläge dieser Art nicht gewappnet

Das Selbstmordattentat von Kabul, bei dem am Samstag vier deutsche Soldaten der Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) starben, dürfte zu einem Überdenken der Pläne für eine Ausweitung des Einsatzes führen. Die Sicherheitslage in den wiederaufzubauenden Gebieten ist prekär

GARDES taz ■ Die Bundeswehrsoldaten, die am Samstag in Kabul Opfer eines Selbstmordattentats wurden, waren aus Sicht der Täter offenbar ein „weiches Ziel“: Sie bewegten sich in einem ungepanzerten Bus, der gegen die Wucht der Explosion keinen Schutz bot.

Vier deutschen Soldaten hat der Anschlag von Kabul das Leben gekostet, 29 weitere verletzt, sieben davon schwer. Zwei Busse, die vorne und hinten von gepanzerten Geländewagen gesichert waren, hatten das Hauptquartier der deutsch-niederländischen Brigade, fünf Kilometer außerhalb des Stadtzentrums, kurz vor acht Uhr verlassen. Sie waren auf dem Weg zum Luftwaffenstützpunkt Bagram, um von dort in den Urlaub oder am Ende ihres Einsatzes nach Deutschland zurückzukehren.

Ein Taxi, das offenbar nur mit dem Fahrer besetzt war, überholte den Konvoi. Auf der Höhe des Busses mit den 33 Insassen (der erste Bus war nur mit Gepäck beladen) brachte der Fahrer die auf 100 bis 500 Kilo geschätzte Sprengladung zur Explosion. Sie zerstörte außer dem Taxi den Bus vollständig. Ohne die Splitterschutzwesten, die alle Soldaten trugen, wäre die Zahl der Opfer vermutlich höher gewesen. Angaben dazu, ob neben den vier Soldaten und dem Fahrer weitere Passanten getötet wurden, gab es von afghanischer Seite nicht.

Es ist noch nicht klar, wer hinter dem Attentat steht. Die Polizei vor Ort machte sogleich al-Qaida dafür verantwortlich, aber zu den Verdächtigen muss man zweifellos auch die Taliban oder die „Hisb-i Islami“ des früheren Mudschaheddin-Führers Gulbuddin Hekmatyar zählen. Allerdings sind Attentate dieser Art etwas Neues in Afghanistan und weder für die Taliban noch Mudschaheddin-Gruppen typisch. Bei den bisherigen Anschlägen handelte es sich um Raketeneinschläge oder das Gewehrfeuer von Heckenschützen, ohne Todesfolgen, mit Ausnahme eines Zwischenfalls am 19. Dezember 2002, als vor dem Isaf-Camp eine Sprengladung explodierte, die einen Soldaten und zwei Unbeteiligte in Stücke riss.

Isaf-Sprecher Oberst Thomas Löbbering sagte am Sonntag, es gebe praktisch täglich Hinweise auf mögliche Attentate. Diese seien aber zu wenig spezifisch, um den Urhebern auf die Spur zu kommen und sie unschädlich zu machen. Auch in Zukunft werde man sich dagegen nicht hundertprozentig wappnen können. Das hat auch mit dem Mandat der Isaf-Truppe zu tun, die keine feindliche Besatzungsmacht ist, sondern die Sicherheit der Bevölkerung der Hauptstadt gewährleisten soll. Das verlangt, dass man sich, wie am Sonntag aus dem Isaf-Einsatzkommando in Berlin verlautete, „mit offenem Visier“ bewege. Immerhin sollen fortan keine Truppentransporte in ungepanzerten Fahrzeugen durchgeführt werden.

Zweifellos wird der Zwischenfall zu einem Überdenken der Pläne einer Ausweitung des Einsatzes auf Städte außerhalb Kabuls führen. Es geht um die Stationierung von Soldaten, die den Schutz von „Provinz-Wiederaufbau-Teams“ (PRT) übernehmen sollen. Die USA haben inzwischen sechs solcher Teams in verschiedenen Landesteilen im Einsatz.

Ziel der PRTs ist es, auf die Wiederherstellung der Sicherheit nicht erst zu warten, sondern diese zu ermöglich, indem Schulen und Kliniken wiederaufgebaut, Straßen repariert, Brunnen und Bewässerungskanäle gereinigt werden. Die Arbeiten werden von Armeeingenieuren geplant, von lokalen Unternehmern ausgeführt und von Spezialeinheiten geschützt. Das PRT in der Provinz Pakhtia soll 40 solcher Projekte in Angriff genommen haben, durchweg mit positiver Resonenz in der Bevölkerung. Allerdings gibt es Berichte, wonach in zwei Dörfern bei Gardes eine Schule und eine Klinik zerstört worden sind.

Das Bundesverteidigungsministerium prüft gegenwärtig die Durchführbarkeit eines ersten deutschen PRT in der westafghanischen Provinz Herat. Ob diese Pläne weiterverfolgt werden, wird sich in Deutschland entscheiden. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat am Samstag eine Überprüfung der Ausweitung des Isaf-Einsatzes gefordert. BERNARD IMHASLY