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Archiv-Artikel

Wiens jüdischen Schulen droht die Schließung

Kultusgemeinde kann Sicherheitsaufwand nicht mehr finanzieren. Die österreichische Bundesregierung knausert und bietet nur ein Darlehen an

WIEN taz ■ Bei Wiens Israelitischer Kultusgemeinde (IKG) herrscht Krisenstimmung. 35 Angestellte sollen gekündigt werden. Schulen und Bethäusern droht die Schließung. Der Grund: die Gemeinde kann den erhöhten Sicherheitsaufwand für die Synagoge in der Wiener Innenstadt und rund 25 weitere Einrichtungen nicht mehr finanzieren. Sie verlangt Hilfe von der Bundesregierung.

Ein Angebot von Kanzler Wolfgang Schüssel lehnte der Gemeindevorstand letzte Woche ab. Es geht zwar nur um die vergleichsweise geringe Summe von 2,7 Millionen Euro jährlich. Doch in Zeiten von Sparbudgets und Subventionskürzungen zeigt sich Schüssel knausrig. Allein die Sicherheitsaufwendungen schlagen jährlich mit zwei Millionen Euro zu Buche.

Bisher hat die Gemeinde selbst geholfen: es wurden Reserven aufgelöst, Immobilien verkauft und schließlich Darlehen aufgenommen. Das geht jetzt nicht mehr. In der Person von Bildungsministerin Gehrer hatte die Regierung jetzt angeboten, bis 2005 jedes Jahr zusätzlich 772.000 Euro zuzuschießen. Und zwar in Form eines zinslosen Darlehens, das dann gegen die Entschädigungszahlungen aus dem Restitutionsfonds aufgerechnet werden soll. Darüberhinaus könne die Gemeinde Projekte bei verschiedenen Ministerien einreichen. Ein, so Gehrer, faires Angebot.

Ariel Muzicant sieht das anders. „Österreichs Bundesregierung muss nach 58 Jahren entscheiden, ob sie eine jüdische Gemeinde haben will oder nicht. Wenn ja, muss sie der Gemeinde die finanziellen Grundlagen bieten. Was sie angeboten hat, ist ein Überbrückungskredit.“

Die Wiener IKG hat 6.700 Mitglieder. Zu ihrem Jahresbudget von fast zwölf Millionen Euro erhält sie öffentliche Subventionen von 577.000 Euro. Der Entschädigungsfonds wurde eingerichtet, um während der NS-Zeit enteignete Bürger, vor allem Juden, teilweise zu entschädigen. Dieser Fonds ist mit 1,2 Milliarden Euro dotiert. Rund 20.000 Personen haben um Entschädigung nachgesucht. Auch die jüdische Gemeinde hat ihre Ansprüche geltend gemacht, will aber nicht auf den Fonds zurückgreifen, weil – wegen der Höhe der Forderungen – sonst den Opfern zu wenig bliebe. Sie würde, bei einer Dauerfinanzierung, auf ihre Ansprüche verzichten.

Ausgezahlt wird in jedem Fall erst, wenn Rechtssicherheit herrscht, also alle Geschädigten auf weitere Ansprüche verzichten. Derzeit sind in den USA aber noch zwei Klagen gegen die Republik anhängig. Diese Klagen und jetzt die Schließung von jüdischen Einrichtungen in Wien sollen die Regierung unter Druck setzen. RALF LEONHARD