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Archiv-Artikel

„Der Euro ist jetzt nicht opportun“

Die britische Wirtschaft sei stark genug, dem Euro beizutreten, sagt Ökonomieprofessor Joachim Scheide. Doch dieRegierung in London scheue diesen Schritt, weil die gemeinsame europäische Währung auf der Insel einen schlechten Ruf hat

Interview HANNES KOCH

taz: Die britische Regierung will den Euro der Kontinentaleuropäer vorerst nicht einführen. Das ist doch schlau, oder?

Joachim Scheide: Ich bin nicht sicher, ob daraus große Vorteile für Großbritannien entstehen.

Der Bankenplatz London und die britischen Steueroasen locken die Investoren über den Kanal. Ein Teil dieser Vorteile wären dahin, wenn sich die Briten den Euro-Regularien unterwerfen müssten.

Das Finanzzentrum London hat sich in den vergangenen Jahren in der Tat besser entwickelt als Frankfurt am Main – obwohl dort die Europäische Zentralbank (EZB) sitzt. Gerade wegen dieser guten Ausgangsposition wird die britische Hauptstadt aber auch in Zukunft der zentrale Finanzmarktplatz Europas sein. Der Euro ändert daran nichts.

Ohne den Euro müssen sich die Briten nicht an den Maastricht-Vertrag mit seiner Obergrenze für Staatsschulden halten. Besser für sie?

Der britischen Wirtschaft geht es relativ gut, und der Staatshaushalt ist halbwegs saniert. Mit unter 2 Prozent Neuverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt würde es dem Königreich gar nicht schwer fallen, das 3-Prozent-Defizitkriterium von Maastricht einzuhalten. Auch dieses Argument gegen den Euro ist nicht stichhaltig.

Ohne den Euro kann die britische Nationalbank die Zinsen nach eigenem Gutdünken festsetzen. Ist diese Flexibilität wichtig?

Das lässt sich nicht abstreiten. Großbritannien ist nicht an die Politik der EZB und der zwölf Euro-Staaten gebunden. Deshalb kann man dort auf die wirtschaftliche Lage je nach eigenem Bedarf flexibel reagieren. Zur Zeit sind die mit 3,75 Prozent vergleichsweise hohen Zinsen wegen des rund 2-prozentigen Wirtschaftswachstums gerechtfertigt. Müssten die Briten ihre Zinsen nun abrupt auf Euro-Niveau senken, bekämen sie ein Problem: Die Gefahr der Inflation würde zunehmen, und die Immobilienpreise würden noch schneller steigen.

So betrachtet handelt die britische Regierung richtig, wenn sie den Euro ablehnt?

Die ökonomischen Argumente halte ich trotzdem für vorgeschoben. Die Regierung hält es einfach nicht für opportun, ihrer Wählerschaft mit dem Euro zu kommen. Es gibt dieses traditionelle britische Bestreben, möglichst unabhängig zu sein. Bis zu zwei Drittel der Bevölkerung sprechen sich in Umfragen gegen die europäische Währung aus. Überzeugend wirkt auch nicht gerade, dass die Wirtschaft in den großen Staaten der Eurozone lahmt, in Großbritannien dagegen gut läuft – ohne Euro.

Meint es die britische Regierung ernst damit, dass sich vor dem Beitritt die Politik der EZB ändern müsse?

Die Unterschiede zwischen der Bank von England und der EZB sind marginal, was die Zinspolitik betrifft. In London orientiert man sich zwar bei der Zinshöhe etwas strikter an der Inflation. Aber das ist kein Bruchpunkt. Die EZB wird ihre Politik auch nicht ändern, weil ein Land etwas zu kritisieren hat. So oder so werden die Briten der Eurozone irgendwann beitreten.