: An Charles Taylor scheiden sich die Geister
UNO, USA und Großbritannien wollen Umsturz in Liberia. Dafür torpedieren sie auch Westafrikas Friedensbemühungen
BERLIN taz ■ Kaum ein Staatschef der Welt sieht sich derzeit einer so konzertierten internationalen Kampagne ausgesetzt wie Charles Taylor. Liberias Präsident gilt bei der UNO und bei den Regierungen der USA und Großbritanniens als Kriegsverbrecher, als Freund al-Qaidas und als Destabilisierer Westafrikas, und seine Entfernung wird als Schlüssel zum Frieden gesehen.
Zur Destabilisierung Westafrikas hat aber nicht nur Taylors Unterstützung von Warlords in anderen Ländern beigetragen, sondern auch die nicht minder kriegerische Reaktion seiner Gegner. Als Taylors Guerillakämpfer 1990 kurz vor Liberias Hauptstadt Monrovia standen, verhinderte eine von Nigeria und Guinea geführte westafrikanische Eingreiftruppe seinen Sieg – und kämpfte sechs Jahre lang. Während Westafrikas Regierungen sich gegen Taylor verbündeten, half dieser in Sierra Leone beim Aufbau der Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front). Das wird ihm heute zum Verhängnis.
Im Juli 1997 gewann Taylor Liberias erste freie Wahlen. Danach wurde seine Unterstützung für die RUF – die sich in der Bereitstellung von Kontakten für den Diamantenexport sowie durch Waffenlieferungen äußerte – offizielle Politik. Die RUF siegte in Sierra Leone nur deshalb nicht, weil die einstige Liberia-Eingreiftruppe Westafrikas dorthin weiterzog. Als Sierra Leones Krieg dank einer britischen Militärintervention 2000 mit der endgültigen Niederlage der RUF zu Ende ging, war es nur logisch, dass man sich an Taylor rächen wollte. Von Guinea aus nahmen liberianische Rebellen den Kampf gegen Taylor auf.
Zugleich wurde Taylor wegen seiner Schützenhilfe für die RUF bestraft: Im Mai 2001 verhängte der UN-Sicherheitsrat gegen ihn und seine Entourage ein Reiseembargo und verbot Liberias Diamantenhandel. Aber erst im November 2002 wurde das seit 1992 gegen Liberia geltende UN-Waffenembargo offiziell auf Liberias Rebellen ausgedehnt. Da hatten diese schon eine zweite Front aus der Elfenbeinküste heraus eröffnet.
Die Strategie gegenüber Liberia ist inzwischen gespalten. Die internationale Sicht hat sich radikalisiert: Taylor werden inzwischen von US-amerikanischer und britischer Seite sogar Geschäftsbeziehungen zu al-Qaida vorgeworfen, und jeder Kompromiss mit ihm gilt als unmöglich. Die westafrikanische Sicht hat sich zugleich gemäßigt: Angesichts der ständigen Ausbreitung bürgerkriegsartiger Zustände in der gesamten Region setzt man jetzt für Liberia auf eine friedliche Lösung – zum Beispiel dadurch, dass Taylor bei den im kommenden Oktober anstehenden Neuwahlen nicht mehr kandidiert. Nigerias Ex-Militärherrscher Abdulsalami Abubakar leitet eine Liberia-Kontaktgruppe, die in zäher Kleinarbeit eine Friedenskonferenz organisiert hat.
Als diese Konferenz vor einer Woche in Ghanas Hauptstadt Accra begann, gerieten die beiden Strategien in offenen Konflikt. Denn zeitgleich mit der Konferenzeröffnung veröffentlichte das UN-Sondertribunal für Sierra Leone, das die dortigen Kriegsverbrecher aburteilen soll, einen Haftbefehl gegen Taylor wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ – gemeint war seine frühere Unterstützung der RUF. Süffisant fügte das von den USA finanzierte und geführte Tribunal hinzu, als gesuchter Verbrecher sei Taylor ja wohl kein Verhandlungspartner mehr. Der flog daraufhin aus Ghana in die Heimat zurück, und Liberias Rebellen starteten ihre Großoffensive auf die Hauptstadt.
Nun fordern US-amerikanische und britische Diplomaten Taylors Rücktritt. Und westafrikanische Politiker schäumen über die Vergeudung der „größten Friedenschance in einer Generation“. DOMINIC JOHNSON