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Archiv-Artikel

„Da musst du studiert haben“

Das Nicolaus-August-Otto Berufskolleg in Deutz feiert heute 40. Geburtstag. Die Schüler, die hier zum KFZ-Mechaniker ausgebildet werden, machen zugleich Fachabitur, um ihre Chancen zu verbessern

VON Claudia Lehnen

Eines haben die Schüler hier gemeinsam: Sie haben begriffen, dass Lernen etwas ist, das sie weiter bringt. Sven Sieverling, Jonas Lesske, Sebastian Moritz und René Kluck vom Nicolaus-August-Otto Berufskolleg in Deutz haben sich für den anstrengenden Weg entschieden. Neben ihrer Ausbildung zum Kraftfahrzeug-Mechaniker drücken sie noch die Schulbank, um nach dem Ende ihrer Lehrzeit mit dem Gesellenbrief auch das allgemeine Fachabitur in Händen zu halten. „Vielleicht will ich doch noch mal studieren“, sagt der 20-jährige René Kluck.

Die Doppelqualifikation bietet das Nicolaus-August-Otto-Berufskolleg seit sechs Jahren an. Die Geschichte der Schule indes beginnt schon 1964 mit dem Beschluss der Stadt Köln, die fahrzeugtechnischen Berufe als selbständige Einheit mit knapp 2.000 Schülern und 22 Lehrern zu führen. Heute feiert das Berufskolleg seinen 40. Geburtstag.

Vieles hat sich seit Gründung der Schule verändert. „Vor 40 Jahren brachte man sein Auto zum Schlosser, der hat daran rumgeklopft, bis es wieder ging. Heute braucht man einen Diagnosetechniker, keinen Mechaniker“, sagt Schulleiter und Berufsschullehrer Ulrich Schwenger. Mit der rasanten Entwicklung in der Fahrzeugtechnologie Schritt zu halten, war für die Schule nicht immer leicht. „Aber wir bekommen ja auch frisches Know-how durch unsere jungen Kollegen“, berichtet Schwenger. Außerdem stehe das Lernen lernen bei einer Schule im Vordergrund, nicht das detaillierte Fachwissen.

An manchen Dingen ist die Zeit aber auch spurlos vorüber gegangen. So etwa an dem Klischee, dass Berufsschüler eine schwierige Spezies seien. Schwenger versichert aus seiner fast dreißigjährigen Lehrerfahrung, dass das Klischee mit der Realität nichts gemein habe. „Am Gymnasium zu unterrichten, das ist schwierig. Die Berufsschüler haben einen Vertrag in der Tasche und kooperieren schon deshalb.“ Problemfälle fänden sich höchstens unter denjenigen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden hätten, wegen der Schulpflicht aber die Berufsschule besuchen müssten.

„Vielen macht Schule hier wieder Spaß“, sagt Schwenger. Wenn man indes die Klasse derer besucht, die ein Fachabitur anstreben, schlägt einem die Begeisterung nicht gerade entgegen. Mathematik steht auf dem Stundenplan, und in den ausschließlich männlich besetzten Bankreihen freut man sich sichtlich über einen kurzen Themenwechsel. Anstrengend sei die doppelte Qualifikation schon. Weil auch samstags unterrichtet wird, hätten sie eine Sechs-Tage-Woche. Und da der berufsbezogene Teil der Schule zu Gunsten der allgemeinbildenden Fächer gekürzt werde, hinkten sie im theoretischen Stoff ihren Azubi-Kollegen im Betrieb hinterher, müssten sich also vieles selbst erarbeiten. Wirklich klagen will hier aber niemand. „Man muss eben wissen, ob man den Ehrgeiz hat, das zu schaffen“, sagt Sebastian (24).

René, Sebastian, Sven und Jonas haben diesen Ehrgeiz. Sie wissen, dass sie ihn haben müssen. „Nur mit der Ausbildung kann man heute nicht mehr viel anfangen“, sagt Jonas, und alle stimmen ihm zu. Sie wissen, dass sie ihre Chancen verbessern müssen, ein Studium scheint für sie eine gute Weiterqualifikation zu sein. „Die Leute, die hier sitzen, wissen, was sie wollen“, sagt Sebastian. Er wolle etwas machen aus seinem Leben, auch beruflich. Mit 17 sei ihm dieser Gedanke noch fremd gewesen.

Der 18-jährige Sven sagt: „Ich möchte mal zur Formel 1.“ Jonas lächelt ein wenig ob der Träume seines Schulkollegen. Als Motivation, das Fachabitur in eineinhalb Jahren zu bestehen, dazu eigneten sich aber auch Svens Wunschvorstellungen: „Die nehmen auch keinen einfachen Mechaniker. Da musst du schon mehr vorweisen. Da musst du sicher studiert haben.“