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Archiv-Artikel

Dresdner Koffer erhitzt Gemüter

Der Schnellkochtopf, der angeblich Teil der Kofferbombe im Dresdner Bahnhof war, lässt manche auf einen islamistischen Anschlag schließen. Die Behörden verraten gar nichts, sondern kümmern sich darum, ob der Zünder hätte zünden können

von WOLFGANG GAST

Am weitesten lehnte sich der Berliner Tagesspiegel aus dem Fenster. „Planten Terroristen Anschlag auf ICE?“, schlagzeilte die Zeitung gestern. Sie nannte als mögliche Hintermänner der am Freitag auf dem Dresdner Bahnhof sichergestellten Kofferbombe islamistische Terroristen oder Neonazis.

Spekuliert wurde aber auch in anderen Zeitungen, wenn auch nicht auf der Seite eins. Sowohl die Sprengstoffzubereitung als auch die in dem Koffer gefundene Zünderkonstruktion „waren nicht von Laien gebastelt“, will die Welt erfahren haben. Zuvor hatte die Bild enthüllt, dass der Bombenkoffer ein Kilogramm des Sprengstoffes TNT enthalten habe. Außerdem hätten die Ermittler in dem Gepäckstück einen elektrischen Sprengzünder, einen Wecker, eine „splitterbildende Beilage“ aus Schottersteinen, eine farblose Flüssigkeit und einen Schnellkochtopf entdeckt.

In ebendiesem Schnellkochtopf sehen manche einen Hinweis auf ein von Islamisten geplantes Attentat. Immerhin hat das Frankfurter Landgericht im März dieses Jahres vier Algerier verurteilt, die Ende 2000 einen zur Splitterbombe umgebauten Schnellkochtopf auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt explodieren lassen wollten. Andere erkennen in dem aufgefundenen Bombenkoffer die Handschrift eines Bahnerpressers. Ein funktionsfähiger Sprengsatz auf einem belebten Bahnsteig abgestellt – das Drohpotenzial könnte kaum größer sein.

Das sächsische Landeskriminalamt bleibt derweil zugeknöpft. Ermittelt werde nach allen Seiten, sagt Sprecher Nico Müller. Nur: Einzelheiten könnten zurzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt gegeben werden. Selbst Berichte, wonach die Kofferbombe mit einer Wasserkanone funktionsunfähig gemacht worden sei, will er nicht bestätigen – um möglichen Tätern nichts über die Arbeitsweise der Polizei zu verraten.

Unbestätigt bleibt auch, ob es sich bei dem Koffer um einen Trolley mit dem Markennamen „Champ“ handelt, der von der Firma Aldi Nord vertrieben wurde, zu deren Geschäftsgebiet auch Dresden gehört. Berichte, wonach die Beamten des Landeskriminalamtes sauer seien, weil der Bundesgrenzschutz mit der Wasserkanone wichtige Spuren vernichtet habe, weist Müller zurück. An der Arbeit der für „unkonventionelle Brand- und Sprengsätze“ zuständigen BGS-Beamten „gibt es nichts zu kritisieren“.

Die 16-köpfige Sonderkommission „Bahnhof“ des Landeskriminalamtes (LKA) setzte gestern die Untersuchung der Kofferbombe fort. Fraglich ist, ob der Sprengsatz hätte gezündet werden können. Die Bombe war am Freitagabend auf einem Bahnsteig entdeckt worden. Der Hauptbahnhof in Dresden wurde mitten im Pfingstreiseverkehr evakuiert und für sieben Stunden gesperrt. Nach Polizeiangaben hätten mit dem Sprengsatz viele Menschen getötet oder verletzt werden können. Es gebe aber kein Bekennerschreiben.

Zeitungsberichte zufolge soll das LKA bestätigt haben, dass es keine Videoaufzeichnungen vom Fundort zur Tatzeit gebe. Bahnsprecher Jörg Bönisch erläuterte danach, der Bahnhof werde zwar kamera-, jedoch nicht videoüberwacht. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen wir zwar mit installierten Kameras überwachen, allerdings nichts aufzeichnen.“

Ein herrenloser Koffer sorgte auch am Dienstagabend in einem Hotelfoyer für Aufregung. 269 Gäste des Hotels wurden vorsorglich in Sicherheit gebracht. Einige Stunden später gab die Polizei Entwarnung: Der Pilotenkoffer war von einem Monteur vergessen worden, der einen Aufzug gewartet hatte.