piwik no script img

Archiv-Artikel

Spätfolgen ungewiss

BERLIN taz ■ Alle haben mitgemacht. VW und Beck’s, das BKA, der Bundeskanzler und der SPD-Chef. Vor allem aber haben hunderttausend Mädchen und auch einige Jungen die Gelegenheit ergriffen, den langweiligen Schulalltag gegen einen Ausflug ins Arbeitsleben zu tauschen.

Ob der Girls’ Day eine nachhaltige Wirkung hat, ist noch nicht erwiesen. Kurzfristige Begeisterung für geschlechteruntypische Berufe ist jedenfalls garantiert: Mehr als 111.000 Mädchen seien in 5.100 Firmen ausgeschwärmt. Das sind fast hundertmal so viele wie beim ersten Girls’ Day im Jahr 2001.

SPD-Chef Franz Müntefering persönlich erklärte das PolitikerInnendasein: 90 Prozent der Arbeit seien Pflicht, doch 10 Prozent davon seien Kür, sagte Müntefering. „Die 10 Prozent sind schön.“ Ob 10 schöne Prozent ausreichen, eine derzeitige Friseuse in spe zum Berufswechsel zu animieren?

Das ist das Hauptanliegen dieses Tages: Das Spektrum der Berufswahl von Mädchen zu erweitern. Technische Begabungen von Mädchen werden oft nicht gefördert, weil niemand auf die ernsthafte Idee kommt, das Mädel könne doch Luft- und Raumfahrttechnik studieren oder wenigstens Kfz-Mechanikerin werden.

Ein einziger Tag, so gibt auch Frauenministerin Renate Schmidt (SPD) zu, kann daran nicht viel ändern: „Es muss schon noch ein Stückchen mehr passieren.“ Darauf wird man noch eine Weile warten müssen. Frauen, die technische Berufe tatsächlich erlernen, sind überdurchschnittlich oft arbeitslos – in diesen Berufe herrscht eben eine männliche Kultur. Dabei geht beim Wort Frau v. a. die Warnlampe „Babypause“ an, die eingeschränkte Einsetzbarkeit signalisiert und nicht die 24-Stunden-Einsatzbereitschaft, die das Wort Mann suggeriert. Die frohgemuten Neutechnikerinnen können also sehr schnell wieder auf dem Boden kinderfeindlicher Tatsachen landen.

Die Aufforderung „Es muss schon ein Stückchen mehr passieren“ richtet sich also auch an die Bundesregierung: Solange sie Frauen immer noch mit drei Jahren Erziehungsurlaub versorgt, anstatt mit einem Mann, der sich das Zuhausebleiben leisten kann, und mit einer vernünftigen Kinderbetreuung, kann sie noch so viele Girls’, Boys’ oder sonstige Tage organisieren, an der Realität wird sich kaum etwas ändern. HEIDE OESTREICH