Dörfliche Träume

Schauspiel Leipzig gastierte mit Fritz Katers „Sterne über Mansfeld“ am Thalia in der Gaußstraße

Wer kennt schon Mansfeld? „Stadt im östl. Harzvorland, Sa.-Anh., 240 m ü. d. M., 4200 E.“, so die dürre Lexikonauskunft. Und wie lebt es sich in dem Ort, dessen Haupterwerbszweig, das Kupferbergwerk, 1990 geschlossen wurde, wobei 8000 Bergleute ihre Arbeit verloren?

Wie es sich dort vielleicht lebt, darüber gibt Fritz Katers Stück Sterne über Mansfeld Auskunft. Im Februar wurde es am Schauspiel Leipzig unter der Regie von Katers Alter Ego Armin Petras uraufgeführt und im Rahmen der Autorentheatertage Hamburg im Thalia in der Gaußstraße gezeigt. Und obwohl die Stadt Mansfeld real existiert, sind Katers Figuren natürlich fiktiv. Aber doch mehr oder weniger aus dem Leben gegriffen. Eher mehr, wie Bettys Familie. Schnodderschnauze Betty ist froh um ihren Job im Altenheim und sorgt sich um den Terrassenanbau am Eigenheim. Tochter Janica dagegen hat sich noch nicht arrangiert. Sie sprüht Graffiti und sucht nach dem wilden Leben. Und Mann Thomas, verschuldeter Versicherungsvertreter und verhinderter Rockmusiker, will auf den Spuren Schumis eine Gokartbahn über dem stillgelegten Stollen bauen.

Doch natürlich kommt alles anders. Dass dabei kein Sozialkitsch herausgekommen ist, sondern ein zart-deftig-humoriges Stück, dafür sorgt Armin Petras, der die Realitäten mit Phantasie im Zaum hält. Weder Terrasse noch Altersheim sind zu sehen, dafür ein Halbkreis aus schwarzen Schieferwänden, darunter ein Plattenboden mit eingelassenen Fahrrinnen. Der ehemalige Parteioffizier Benjamin, seit einem nie geklärten Schuss kurz nach der Wende gelähmt, kurvt dort im Rollstuhl herum. Wenn er dem neuen Pfarrer von der Arbeit im Bergwerk erzählt, wird die Schinderei deutlich – und so richtig nachtrauern möchte man den vergangenen Zeiten nicht.

Aber es tut sich auch etwas in dieser gottverlassenen Gegend. Ein neuer Pfarrer will die frühere Hochburg des Protestantismus wieder missionieren – und eine fremde Frau mit langer Zipfelmütze, die Jesus an der Fleischtheke getroffen haben will, bekämpft ihre Begierden mit Stricknadeln. Leider sollen diese arg konstruierten Figuren allzu zwanghaft „neue“ Glaubenssysteme symbolisieren. Wunderbar dagegen das knappe Dutzend Frauen aus Bettys Altersheim, bodenständig und doch voller Poesie. Sie tratschen zwar schon mal über den Pfarrer, schlecken aber auch gierig Vanilleeis – und sorgen dafür, dass nachts die Sterne über Mansfeld leuchten.

KARIN LIEBE