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Archiv-Artikel

Gestatten, Gazprom

BERLIN taz ■ Gestatten: Gazprom. Weltweit größter Erdgasförderer, kontrolliert ein Fünftel der globalen Förderung, alleiniger Exporteur russischen Erdgases. Sonstige Geschäftsfelder: Erdöl, Strom, Medien, Banken. 450.000 Mitarbeiter weltweit, die führenden immer eng mit dem Kreml und dem gegenwärtigen Ministerpräsidenten Putin verbunden, der aktuelle Präsident war früher dort Aufsichtsratschef.

Dennoch gibt sich das noch immer überwiegend in Staatsbesitz befindliche Unternehmen nach außen betont privatwirtschaftlich. Auf Schalke ist Gazprom als finanzkräftiger Sponsor beliebt, im Osten Europas hat der Konzern hingegen kein gutes Image. In den vergangenen Jahren gab es immer irgendwo einen Streit ums Gas und angekündigte oder vollzogene Lieferstopps. Dabei ging es bei aller Verflechtung von Kreml und Konzern vor allem um rein marktwirtschaftliche Mechanismen. Gazprom will sein Produkt zum bestmöglichen Preis verkaufen. Das Problem: Die Möglichkeiten sind begrenzt. So wird in Russland das Gas weiterhin zu subventionierten Preisen verkauft, 500 Dollar pro tausend Kubikmeter sind nur beim Verkauf nach Westeuropa drin. Doch auch die sind angesichts des rapiden Preisverfalls beim Öl nicht mehr zu erzielen, laut russischen Zeitungen kalkuliert Gazprom für 2009 mit 300 Dollar in Westeuropa. Das könnte bis zu 20 Milliarden Dollar Einnahmeverlust für Gazprom bedeuten.

Um so wichtiger wird es für das Unternehmen, in den ehemaligen Bruderstaaten höhere Erlöse zu erzielen. Diese haben als frühere Verbündete ebenfalls lange das Gas zu Dumpingpreisen erhalten. Und nun will der Kreml dort das durchsetzen, was er seinen eigenen Bevölkerung nicht zumuten will: Preise, die dem Weltmarkt entsprechen. Weil das aber kaum mit einem Mal zu schaffen ist, wird die Schrauberei am Gashahn zum allwinterlichen Ritual.

Das verdiente Geld, kürzlich meldete Gazprom einen Halbjahresgewinn von 10,2 Milliarden US-Dollar, investiert das Unternehmen gerne im Ausland. In Eisenhüttenstatt bauen die Russen gemeinsam mit dem Energieversorger Soteg aus Luxemburg ein neues Gaskraftwerk, in Lubmin ist ein weiteres mit Eon geplant. In den Niederlanden arbeitet das Unternehmen an einem neuen Gasspeicher, in Österreich investiert Gazprom in einen sogenannten Hub, einen Knotenpunkt von Pipelines.

Eines der entscheidenden Projekte zur weiteren Bindung der Kunden in Westeuropa ist aber die ökologisch und politisch umstrittene Ostseepipeline, die Gazprom als Hauptanteilseigner gemeinsam mit BASF und Eon für geschätzte 7,6 Milliarden Euro baut. Die 1.200 Kilometer lange direkte unterseeische Verbindung zwischen Russland und Deutschland, die 2012 fertig sein soll, wäre dem möglichen Zugriff Weißrusslands, der Ukraine oder Polens entzogen, so dass Streitereien wie die gegenwärtigen keinen Einfluss auf die Gaslieferungen nach Deutschland mehr hätten. Die Abhängigkeit zahlreicher westeuropäischer Staaten von russischem Gas hingegen würde dadurch gewiss nicht verringert. STEPHAN KOSCH