: Aufschwung erst 2004
EZB halbiert Prognose für Wirtschaftswachstum 2003. Rezession in Deutschland bestätigt. Streit um Steuer
BERLIN taz/ap ■ Die Europäische Zentralbank rechnet jetzt für das gesamte Jahr 2003 nicht mehr damit, dass sich die Wirtschaft in der Europäischen Union durchgreifend erholt. Statt des bisher geschätzten Wachstums von 1,1 bis 2,1 Prozent sei nur noch ein mageres Plus von 0,4 bis 1,0 Prozent zu erwarten, hieß es gestern im EZB-Monatsbericht. Und auch die Aussichten für 2004 müssten vorsichtiger bewertet werden: Statt bei 1,9 bis 2,9 Prozent werde es wohl eher bei 1,1 bis 2,1 Prozent liegen.
Anlass für die Korrektur waren die schwachen Monate April und Mai. Die Banker hatten nach dem schwachen ersten Quartal auf eine „unmittelbare Verbesserung“ gesetzt. Vergeblich.
Speziell in Deutschland ist die Wirtschaft im zweiten Quartal weiter geschrumpft, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin ebenfalls gestern öffentlich machte. Auch das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hatte dem wenig Erfreuliches hinzuzufügen. Es meldete, dass auch der deutsche Außenhandel eingebrochen sei. Gegenüber dem Vorjahr habe es im April ein Minus von 2,9 Prozent beim Export und von 1,9 Prozent beim Import gegeben. Damit scheint sogar der traditionelle Konjunkturmotor für die deutsche Wirtschaft auszufallen, wie auch die Ökonomen der Bayerischen Landesbank bestätigten: „Wachstumsimpulse vom Ausland sind in diesem Jahr unwahrscheinlich, das Gegenteil dürfte der Fall sein.“
Vor diesem Hintergrund verschärft sich zwischen SPD und Grünen der Streit über mögliche Maßnahmen. „Das Vorziehen der Steuerreform-Stufe 2005 auf 2004 könnte eine geeignete Maßnahme sein“, um die Konjunktur anzukurbeln, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Die dadurch entstehenden Steuerausfälle sollten durch den Abbau der Entfernungspauschale für Pendler oder anderer steuerlicher Subventionen teilweise gegenfinanziert werden. Poß deutet damit an, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) möglicherweise keinen verfassungsgemäßen Haushalt 2004 vorlegen wird. Bei einer kombinierten Steuerreform würde die Neuverschuldung im Bundeshaushalt die Summe der Investitionen (26,7 Milliarden Euro) übersteigen. Dies wäre nur möglich, wenn man die Steuerreform als Versuch definierte, die bereits erklärte „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ zu beheben.
Die Finanzexpertin der grünen Bundestagsfraktion, Christine Scheel, hält dagegen eine große Steuerreform Anfang 2004 nur dann für machbar, wenn die Neuverschuldung nicht wesentlich steigt. Da diese Bedingungen unerfüllbar ist, lehnt sie, wie ihre Fraktionschefin Krista Sager, die Zusammenlegung ab .
Das Bundesfinanzministerium dementierte gestern, dass es Pläne für eine große Reform gebe. Wenn allerdings Subventionen in nennenswertem Umfang zur Gegenfinanzierung der Reform eingespart würden, könnte die Haltung des Ministeriums anders aussehen, hieß es. Rot-Grün verhandelt gegenwärtig mit den Bundesländern über die Kürzung der Steuervergünstigungen. HANNES KOCH
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