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Archiv-Artikel

Väter und Familie unvereint

85.800 Männer kümmern sich so sehr um ihre Familie, dass sie Teilzeit arbeiten. Langzeitarbeitslosigkeit ist seit 1991 drastisch gewachsen, verrät der Mikrozensus 2002

BERLIN taz ■ Zuerst die gute Nachricht: Die Zahl der Teilzeit arbeitenden Väter hat sich seit 1996 um 38 Prozent erhöht. Das war allerdings eine der raren guten Nachrichten, die das Statistische Bundesamt gestern bei der Vorstellung der Minivolkszählung, dem Mikrozensus 2002, überbringen konnte. Und auch die ist selbstverständlich geschönt: Die Teilzeitquote stieg nämlich von 1,5 Prozent der damaligen auf 2,6 Prozent der heutigen Väter. 260.000 dieser Exemplare gibt es heute.

Mütter dagegen haben die Teilzeit als ihre Domäne entdeckt – oder entdecken müssen: 35 Prozent aller Mütter arbeiteten im April 2002 Teilzeit, 1996 waren es erst 22 Prozent. Ihre Vollzeitquote dagegen sank – im Westen leicht, im Osten stärker. Auch dies also kaum eine besonders erfreuliche Tatsache – insbesondere wenn man bedenkt, dass eine Studie des Familienministeriums 2002 ermittelte, dass über ein Drittel der Teilzeit arbeitenden Mütter im Westen eigentlich lieber mehr arbeiten würde, es aber nicht kann, weil die Kinderbetreuung fehlt. Im Osten arbeitet sogar die Hälfte der Mütter nur deshalb Teilzeit, weil sie eine Vollzeitstelle einfach nicht findet.

Die 260.000 Väter in Teilzeit sind im Übrigen auch nicht von großem Glorienschein umstrahlt. Von ihnen ist nämlich nur ein Drittel, exakt 33 Prozent, wegen „familiärer Verpflichtungen“ in Teilzeit gegangen. Ein Viertel hat lediglich keine Vollzeitstelle gefunden, und 42 Prozent sind aus „sonstigen Gründen“ in Teilzeit: Weil sie etwa krank oder in Ausbildung waren.

Nach Adam Riese bleiben damit in Deutschland 85.800 Väter übrig, die Teilzeit arbeiten, weil sie sich um ihre Familie kümmern. Denen könnte Familienministerin Renate Schmidt also einzeln einen Blumenstrauß überreichen, anstatt Väter-Plakat-Kampagnen zu machen, die um ein Vielfaches teurer sind. „Man sieht, dass traditionelle Strukturen da immer noch durchschlagen“, lautet der trockene Kommentar von Johann Hahlen, Chef des Statistischen Bundesamtes, dazu.

Als weiteren Schwerpunkt haben die StatistikerInnen die Struktur der Erwerbslosen aus den Daten destilliert. Hier zeigt sich gegenüber 1991 ein drastischer Anstieg der Langzeitarbeitslosen. Ein Jahr und länger waren 1991 nur 32 Prozent der Erwerbslosen ohne Job. 2002 war es exakt die Hälfte. Zwei Jahre und länger waren 1991 18 Prozent der Erwerbslosen ohne Arbeit, 2002 war es ein knappes Drittel.

Unterstützt wird übrigens ein relativ großer Prozentsatz der Erwerbslosen von den Angehörigen. 30 Prozent der erwerbslosen Frauen haben keinen Anspruch auf Leistungen vom Arbeits- oder Sozialamt und werden von ihren Angehörigen, meist Ehemännern, unterhalten. Im Osten baut man weniger auf diese Versorgungsart: Nur 9 Prozent der Ossis wird von Angehörigen unterstützt.

Der Mikrozensus ist die jährliche Zwangsbefragung von einem Prozent der Bevölkerung, im Jahr 2002 waren das 830.000 Personen. Wer nicht mitmachen will, muss ein Zwangsgeld berappen. HEIDE OESTREICH