: berliner szenen Wie im Mafiafilm
Kifferpinten
Für Kiffer ist in Amsterdam das Leben leichter, eine Binse diese Weisheit. Rein in den Coffee-Shop, bestellen nach Karte, gemütlich einen rollen, dazu Bob Marley hören, so läuft es dort. In Berlin, viele wissen das gar nicht mal, gibt es ebenfalls Coffee-Shops, die denen in Amsterdam jedoch nur darin ähneln, dass sie ähnlich ungemütlich sind. Vor allem aber unterscheiden sie sich voneinander in einem ganz entscheidenden Punkt: Die Berliner Coffee-Shops sind illegal. Deswegen werden sie immer wieder geschlossen. Was vor allem dann ärgerlich ist, wenn man noch keine Adresse eines Ersatz-Coffee-Shops herausbekommen hat.
Die Angst davor, von der Polizei enttarnt zu werden, führt in den Undercover-Coffee-Shops stets zu einer bizarren Atmosphäre aus demonstrativer Lockerheit und paranoider Anspannung. In meiner aktuellen Kifferpinte soll möglichst der Eindruck vermittelt werden: Hier geht’s absolut gediegen zu, wie in jeder trostlosen Pilsbar, in der man Dartpfeile gegen die Wand und gegen die Langeweile wirft. Als Kunde muss man sich diesem Gute-Stube-Idyll völlig anpassen, etwas zu trinken bestellen, den normalen Kneipengast mimen. Man fühlt sich wie der Teil einer Theaterinszenierung. Erst dann kommt unser Mann an den Tisch. „Wie viel?“, fragt er. Man macht seine Angaben, bleibt völlig ruhig und gibt sich möglichst teilnahmslos. Unser Mann verschwindet. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis er zurückkommt. An unseren Tisch kommt er nicht, dafür gibt er uns ein Zeichen: Mitkommen! Auf dem Klo findet die Übergabe statt. Wie in einem Mafiafilm. Nur, dass es hier bloß um ein popliges Beutelchen mittelmäßigen Dopes geht. Es ist beschämend. Kiffen und Bob Marley hören geht auch erst zu Hause. ANDREAS HARTMANN