USA drohen mit „Konsequenzen“

Donald Rumsfeld schlägt bei Nato-Tagung auf das Gastgeberland Belgien ein

BERLIN taz ■ Der Donnerschlag kam am Schluss einer ansonsten recht beschaulichen Tagung der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel: Wenn Belgien nicht sein Gesetz aufgebe, nach dem belgische Richter sich für Klagen wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschheit für zuständig erklären können, müsse die Nato überdenken, ob Brüssel wirklich ein guter Standort für das Hauptquartier des Militärbündnisses sei, erklärte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gegen Ende der Treffens. „Wenn die zivilen und militärischen Führer der Mitgliedsstaaten nicht nach Belgien kommen können, ohne Angst vor der Nötigung durch belgische Gerichte haben zu müssen, die aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen politisch motivierter Strafverfolger agieren, dann stellt das Belgiens Verantwortungsbewusstsein als Gastgebernation in Frage“, sagte Rumsfeld.

Gerade ist die Nato im Begriff, ein neues Hauptquartier zu errichten, und so konnte Rumsfeld gleich damit drohen, die US-amerikanischen Finanzbeiträge einzustellen, sollte sich die belgische Regierung nicht bewegen: „Belgien muss sich darüber klar werden, dass seine Handlungsweise Konsequenzen hat.“

Tatsächlich hat Belgien seit inzwischen gut zehn Jahren als in dieser Form einziges Land der Welt ein Gesetz, das den Gedanken des „Weltrechtsprinzip“ weitgehend in nationales Recht übertragen hat. Danach ist für eine Reihe von schwersten Verbrechen wie Völkermord, Folter und Verbrechen gegen die Menschheit im Prinzip jedes Gericht der Welt zuständig, unabhängig vom Ort des Geschehens oder der Nationalität von Opfern oder Tätern. Aufgrund dieses Gesetzes sind in Belgien bereits Urteile gegen vier des Völkermordes in Ruanda für schuldig befundene Personen gesprochen worden, etliche Klagen befinden sich noch in der Schwebe, wie eine wegen der Bombardierung eines Zivilschutzbunkers in Bagdad gegen George Bush sen., Vizepräsident Dick Cheney und Colin Powell, oder sind bereits abgewiesen, wie die im Mai dieses Jahres eingereichte Klage gegen General Tommy Franks wegen angeblicher Kriegsverbrechen während des Irakkrieges.

Diese letzte Klage konnte aufgrund einer Änderung des belgischen Gesetzes vom März dieses Jahres schnell vom Tisch gefegt werden: Seither kann die belgische Regierung Anklagen noch vor deren Überprüfung durch die Justiz an zuständige Drittländer weiterleiten, sofern diese über ein funktionierendes Justizsystem verfügen. „Binnen sechs Tagen war der Fall erledigt“ und an die US-Justiz überwiesen, beschließt denn auch der belgische Verteidigungsminister André Flahaut den Fall Franks – ohne dass das jedoch bei Rumsfeld Wirkung gezeigt hätte.

Besonders beeindruckt hat Rumsfeld jedoch angeblich auch niemanden. Die belgische Regierung zeigte sich verständnislos – immerhin sei das Gesetz ja nun geändert. Und gewohnt gelangweilt sagte auch der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck, er halte das alles für „nicht erforderlichen“ „Theaterdonner“. BERND PICKERT