: Die Menschwerdung des Hertha-Dackels
Fredi Bobic, der in Ungnade gefallene Hertha-Stürmer, durfte gegen Kaiserslautern wieder ran. Er traf. Per Kopf. Und er durfte prompt wieder lange Interviews geben. Bobic: „Wenn mich das zu sehr belasten würde, müsste ich in den USA spielen und ab und zu ein paar Budweiser trinken“
VON MARKUS VÖLKER
Die Menschwerdung des Fredi Bobic fand in Minute 24 statt. Der „Dackel“, wie er ob seiner Veranlagung, in jedes Mikro zu kleffen, von seinen Teamkollegen genannt wird, wurde da zum Torschützen mit menschlichem Antlitz. Kaum zu glauben, aber wahr, dieser Prozess der Wandlung, an dem tausende Fans im Olympiastadion teilhaben konnten. Fredi Bobic, der in Ungnade Gefallene, der Trainingsfaule, der von seinem Trainer nicht eben mit Lorbeeren Überhäufte, dieser Fredi Bobic hatte per Kopf einen Ball ins Tor des Gegners gewuchtet – und sofort sprang die Bobic-Maschine im Oval an: Die einen spotteten, er habe dem Ball nicht mehr ausweichen können, es sei also nicht sein Verdienst gewesen, dass es nun 3:0 für Hertha BSC stehe; die anderen sahen in Bobic den Mann des Spiels, wollten plötzlich wissen, dass sie schon immer mit einem Comeback des Stürmers gerechnet hätten; wie sonst hätte ihn Rudi Völler ins Aufgebot der Nationalmannschaft berufen können, wenn Rudi nationale nicht vom Können dieses verhinderten Goalgetters überzeugt sei?
So nahm die Exegese des Bobic-Ballsports seinen Lauf, ein Schisma lief quer durch die Expertenmeinungen, und am Ende stand lediglich fest: Irgendwie hatte dieser Bobic ein bemerkenswertes Spiel gemacht, weder gut noch schlecht, weder nütze, um eine Huldigung zu verfassen, noch tauglich, ihn wieder einmal zu verdammen. Bobic war da und beugte sich dem Spiel und dem Siegeswillen des Teams. Er rettete sogar auf der Linie, was die Fredi-Feinde als Beleg nahmen, er habe schon immer Tore trefflich verhindern können. Bobic holte auch den Eckstoß zum 2:0 heraus. Er verteilte gelegentlich Bälle und brachte es dabei fertig, das Leder fast nur an Spieler in weißen Trikots mit der Werbeaufschrift „Hier bin ich richtig“, also Herthaner, zu verteilen.
Bobic hatte sich wieder in den Vordergrund gespielt, mit relativ einfachen Mitteln. Dabei darf man nicht vergessen: Der eigentliche Mann des Spiel hieß Marcelinho. Ihm hatte Hertha den Sieg zu verdanken. Der Brasilianer traf zum 1:0 mit einem perfekten Freistoß und lenkte das Spiel wie in alten Tagen.
Doch Fredi Bobic ist eine hysterische Seele, die stets nach Beachtung strebt – egal welcher Qualität –, und überdies einer, der es im Nu schafft, dem Spielmacher die Schau zu stehlen. Kein Wunder also, dass Bobic selbst nun munter an der Bobic-Mystifizierung strickte und rumpelfüßig-spektakulär am 4:0 scheiterte. Man sah ihn in dieser Szene im Ninja-Stil am Ball vorbeisegeln. Viele Zuschauer werden sich eher an diese Flugeinlage erinnern als an Marcelinhos samstäglichen Großbeitrag zum (möglichen) Klassenerhalt.
Als das Spiel zu Ende war, kam es, wie es kommen musste. Der Mensch Bobic, der in den Berliner Boulevardblättern vom Sonntag gar übermenschliche Züge bekam, sonnte sich im Blitzlicht der Fotografen, die sich um ihn scharten wie Fliegen um Honig. Fredi winkte und gestikulierte. Das alles sollte sagen: Euch hab ich’s gezeigt, euch Zweiflern!
Nach den Fotografen waren die Journalisten dran, denen Bobic einen Schwall Worte spendete. Er sagte: „Ich hoffe, dass die kindischen Diskussionen um meine Person jetzt ein Ende haben. Was dort öffentlich ablief, war teilweise unglaublich. Aber wenn mich das zu sehr belasten würde, müsste ich in den USA spielen und ab und zu ein paar Budweiser trinken.“ Er sagte des weiteren: „Es muss jetzt Ruhe herrschen im Team. Ich freue mich über das Spiel und über mein Tor. Das war eine tolle Aktion. Arne Friedrich hat endlich mal richtig geflankt.“ Dann sagte Fredi Bobic: „Ich wusste sofort, dass sich wieder alles auf mich fokussieren würde, wenn es gut läuft, bin ich aus dem Schneider, wenn nicht, wird der ganze Mist wieder auf mir abgeladen.“
Beim Rummel, der um die Figur Bobic am Wochenende abgehalten wurde, sollte nicht vergessen werden, dass Hertha BSC noch immer auf der Kippe steht. So wie Fredi Bobic, unser Freund der Direktabnahme.